Gustav Nottebohm – Beethoveniana – XXIX -Generalbass und Compositionslehre betreffende Handschriften Beethoven’s und J. R. v. Seyfried’s Buch »Ludwig van Beethoven’s Studien im Generalbasse, Contrapuncte« u. s. w. (Seite 154)
Aufsätze und Mittheilungen von Gustav Nottebohm
Leipzig, Verlag von C. F. Peters 1872
Das genannte, i. J. 1832 bei Tobias Haslinger in Wien erschienene Buch hat sehr verschiedene Ansichten und Urtheile hervorgerufen. Auf der einen Seite wurde es als ein authentisches Werk gläubig hingenommen; auf der andern aber für ein untergeschobenes, jeder authentischen Vorlage entbehrendes Werk erklärt. Beide Ansichten sind falsch. Sicher kann das Buch keinen Anspruch auf Authenticität machen; aber eben so sicher ist, dass bei der Abfassung authentische Vorlagen benutzt wurden. Wie nun die Authenticität der Vorlagen mit der Unauthenticität des Buches zusammenhängt, das soll hier gezeigt werden.
Bei der Versteigerung des musikalischen Nachlasses Beethoven’s im November 1827 kamen unter Nr. 149 des Licitations-Verzeichnisses zum Verkauf: »Contrapunktische Aufsätze, 5 Pakete«. Käufer derselben war Tobias Haslinger in Wien, der sie für 74 Gulden erstand. Diese »contrapunktischen Aufsätze« wurden Seyfried zur Bearbeitung übergeben, und das Ergebniss seiner Bearbeitung war das von ihm herausgegebene, oben angeführte Buch. Dies geht nicht nur aus einigen Notizen in dem bei T. Haslinger erschienenen allgemeinen musikalischen Anzeiger (v. J. 1829 und 1830)1*), aus Berichten in der Leipziger allgemeinen musikalischen Zeitung (Bd. XXX S. 27, Bd. XXXII, S. 297, Bd. XXXV, S. 101), aus der von 1. Juli 1830 datirten Subscriptions-Anzeige des Verlegers T. Haslinger u. s. w. hervor, sondern Seyfried sagt es auch selbst Zu verweisen ist deshalb auf Seite 5 und 43 des Anhangs der »Studien«, auf Seyfried’s Vorwort. Titel u. s. w. 2*). Als Tobias Haslinger starb, erbte dessen Sohn, Carl Haslinger die »contrapunktisehen Aufsätze« Jetzt sind sie im Besitz der Wittwe des Letztgenannten, Frau Josephine Haslinger. Die Handschriften, aus denen Seyfried sein Buch zusammenstellte, sind also noch vorhanden. Es sind sogar noch die fünf Umschlagbogen von der Auction her vorhanden 3*). Der einzige Unterschied gegen früher besteht darin, dass die Sammlung gegenwärtig etwas weniger vollständig ist, als vor 40 Jahren. Es fehlen hier und da Blätter, die früher vorhanden waren. Dieser Abgang kann jedoch auf das Ergebniss unserer Arbeit keinen wesentlichen Einfluss haben. Ich werde nun über die vorhandenen Handschriften, deren genaue Durchsicht die Besitzer in entgegenkommendster Weise ermöglichten, eingehend berichten, und, wo es nöthig oder rathsam ist, Auszüge daraus bringen. Es wird sich dann zeigen, wie Seyfried bei seiner Bearbeitung zu Werke ging. Die vorliegende Sammlung »contrapunktischer Aufsätze« ist grösstentheils von Beethoven’s, kleinstentheils von anderer Hand geschrieben. Sie besteht aus mehreren Heften, aus vielen losen, theils zusammengehörenden Bogen und Blättern, und umfasst zusammen ungefähr 600 Seiten in Folio.
Hir Inhalt betrifft aber nicht nur Contrapunkt, sondern auch andere Gegenstände der Compositionslehre, z. B. Generalbass, Fuge u. s. w. Um überall eine Vergleichung mit Seyfried’s Buch zu ermöglichen oder zu erleichtern, ist es nöthig, die Schriften nach Fächern zu ordnen, und sie in der Reihenfolge , wie sie die Sache und die Eintheilung der Compositionslehre mit sich bringt, zu betrachten. Wir nehmen also zuerst den Generalbass vor.
Ueber Generalbass oder Harmonielehre handeln drei Hefte. Sie sind durchgängig von Beethoven’s Hand auf liniirtem Notenpapier in Querformat (mit 16 Systemen auf der Seite) geschrieben. Nach ihrer ganzen äusseren Beschaffenheit (Papier, Heftung, Einfassung u. s. w.) zu urtheilen, wurden sie ziemlich zu einer und derselben Zeit geschrieben. Ein Heft, welches 44 nicht paginirte Seiten umfasst, ist überschrieben: »Materialien zum Generalbass«. Eine ähnliche oder entsprechende Ueberschrift fehlt bei den andern Heften. Man ist daher geneigt, jenes für das zuerst geschriebene Heft und für dasjenige zu halten, welches von den dreien den Anfang machen sollte. Das andere Heft umfasst 20 Seiten und ist paginirt von 1 bis 20. Das dritte Heft zählt 22 Seiten, von welchen nur die beiden ersten mit 23 und 24 beziffert sind. Diese beiden Hefte gehören zusammen. Wir nehmen nun das ersterwähnte Heft vor und schreiben die ersten Seiten der Handschrift Beethoven’s wörtlich nach, jedoch mit Ausnahme der Notenbeispiele, welche, wie sich später zeigen wird, übergangen werden können. Beethoven schreibt:
Materialien zum Generalbass.
Alle vorkommende Zeichen, welche die Begleitung angehen, heissen Signaturen. Intervallen. [Folgt eine Tabelle derselben von der reinen Prime bis zur übermässigen None.] Die Decimen, Undecimen und Terzdecimen sind in Absicht auf ihren Standort nichts anders als Octaven von der 3., 4te und 6te. Sie werden durch 10, 11, 12 4*) angedeutet und kommen mehr der Melodie wegen als der Harmonie zum Vorschein. [Folgen 5 Beispiele.] Wenn bei den Intervallen Versetzungszeichen vorkommen, welche beim System nicht vorgezeichnet sind, so wird’s besonders angedeutet. Das Intervall ist natürlich gross, wenn es so ist, wie anfangs beim System vorgezeichnet, zufällig gross aber wird’s durch die neu hinzugefügten Versetzungen. Ein Strich durch die Ziffer, oder ein # darneben erhöht um einen halben Ton. [Folgen 2 Beispiele.] Ein ♭ durch die Ziffer oder dabei erniedrigt das Intervall um einen halben Ton. [Folgen 2 Beispiele.] Ein ♮ durch die Ziffer oder darneben setzt das Intervall in seinen natürlichen Platz. [Folgen 2 Beispiele.] Zwei Striche, zwei # oder ein einfaches X durch die Ziffer oder dabei erhöhen um einen ganzen Ton. [Folgen 3 Beispiele.] Bei den Been um einen ganzen Ton tiefer das Intervall zu erniedrigen zwei ♭ ♭ oder ein grosses ♭. [Folgen 2 Beispiele.] Die Zeichen der Wiederherstellung sind ♮♭ ♮# nach der doppelten Versetzung. Einige setzen auch in der Zerstreuung zuweilen Bee und Striche durch die Ziffern, statt des Bequadrats oder viereckichten Be ♮ z. B. [Folgen 5 Beispiele.] Von der falschen 5te auch von der kleinen und verminderten Septime ist man es eher gewohnt, dass sie mehrentheils mit einem Be erscheinen. — NB. Das Versetzungszeichen wird am gewöhnlichsten und besten durch die Ziffer gezogen. [Folgen Beispiele.] Statt des # bedient man sich des Striches durch die Ziffern. [Folgen Beispiele.] — Die Terz kann durch blosse Versetzungs- und Wiederherstellungszeichen angedeutet werden. [Folgen 5 Beispiele.] Man pflegt überhaupt das erforderliche Versetzungszeichen dicht vor die Ziffer zu setzen, z. B. ♭2, ♭4, ♭3 oder ♮2, ♮4, ♮5, ♮7, desgleichen #2, #4 auch wohl so 2♭, 4♭, 2#, 4# etc. Doch noch besser durch die Ziffer gezogen. [Folgen Beispiele.] Statt des # 5*) eines Strichs durch die Ziffer. [Folgen Beispiele.] Bei der 1 8 9 kommt der Strich seltener vor, man schreibt gewöhnlich #1, #8, #9 oder auch das # neben der Note rechts. Bei zwiefachen Erhöhungen 4+ u. s. w. Steht ein Versetzungszeichen allein ohne dass es zu einer Ziffer gehört über einer Note so bezieht’s sich auf die 3, also #♭X♭♭ 6*) kann die 3 angedeutet werden. Immer setzt man die Ziffern über 7*) die Noten, weil dahin die Zeichen des forte und piano gehören, doch manchmal, wenn zum Beispiel zwei Stimmen übereinander stehen, eine für das Violonschell, die andere für das Klavier. Bei Fugen, wo der Eintritt der Thematum in der Grundstimme vorkommt, so spielt man nach der Vorschrift und schlägt nicht eher Akkorde an bis Ziffern kommen. Auch wo die rechte Hand etwas obligates hat, welches man in kleinen Noten ausdrückt. [Folgt ein Beispiel.] Die Akkorde oder einzelnen Intervalle, deren Ziffern nicht gerade über der Note, sondern etwas rechts stehen, werden nicht mit dem Tone des Basses zugleich sondern nach Umständen erst bei der zweiten Hälfte der Note oder noch später angeschlagen. [Folgen einige Beispiele mit kurzen Bemerkungen.] Jede bezeichnete Harmonie gilt so lange, als die Bassnote unverändert dieselbe bleibt. Folglich behält man bei a) auch noch im zweiten Takte den Sextenakkord so lange, bis über Fis der Quintsextenakkord eintritt. Auch wenn die Bassnote eine Oktave tiefer oder höher versetzt worden b) und wenn durchgehende c) oder harmonische Nebennoten eingeschaltet sind d). [Folgen mit a) b) c) und d) bezeichnete Beispiele.] Stehen 2 Ziffern über einer Note, welche in zwei gleiche Theile getheilet werden kann, neben einander, so bekommt jede dadurch bezeichnete Harmonie die Hälfte der Dauer der Note. [Folgt ein Beispiel.] Bei 3 nebeneinander stehenden Ziffern über einer solchen Note erhält die dadurch bezeichnete erstere Harmonie den halben Werth, die übrigen beiden Akkorde aber bekommen zusammen nur die zweite Hälfte von der Geltung der Note. [Folgt ein Beispiel.] Durch 4 nebeneinander stehende Ziffern wird angedeutet, dass jede bezeichnete Harmonie den vierten Theil von dem Werthe der Note bekommen soll. [Folgt ein Beispiel.] Fünf Ziffern werden so eingetheilt [folgt ein Beispiel]. Von zwei neben einander stehenden Ziffern über einer dreitheiligen (punktirten) Note bekommt die bemerkte erstere Harmonie zwei Theile, für die zweite Ziffer bleibt also bloss der noch übrige Theil von dem Werthe der Note übrig. [Folgt ein Beispiel.] Nur in triplirten Takten (6/8, 9/8) bekommt jede Ziffer die Hälfte. [Folgt ein Beispiel.] Stehen 3 Ziffern über einer solchen Note so erhält jeder Akkord ein Drittel von dem Werthe derselben. [Folgt ein Beispiel.] Bei 4 Ziffern kommt auf jede der beiden erstern ein Drittel, so dass für die folgenden beiden Ziffern zusammen nur ein Drittel übrig bleibt. [Folgt ein Beispiel.] Fünf Ziffern setzen diese Eintheilung voraus. [Folgt ein Beispiel.] Die Punkte nach Ziffern könnte man mehr brauchen, [folgen 3 Beispiele] doch thut der Querstrich — beinahe die selbigen Dienste. Stehen über einem Punkte Ziffern, so gibt man die dadurch bezeichnete Harmonie während des Punktes an, und zählt die Intervalle von der vorhergehenden Note ab. [Folgen 5 Beispiele.] Eben dies gilt auch von den längeren Pausen. [Folgt ein Beispiel.] Die Ziffern, welche über einer kurzen Pause stehen, werden zur Pause angeschlagen und beziehen sich auf die folgende Note. [Folgen 2 Beispiele.] Die Ziffern über langen Pausen werden zwar auch zur Pause angeschlagen, sie beziehen sich aber auf die vorhergehende Note. [Folgen 2 Beispiele.] Alle Wechselnoten, die der unregelmässige Durchgang heissen, bekommen einen Querstrich / . — Die Noten aber, welche der reguläre Durchgang heissen, bekommen einen geraden Querstrich /. — oder keinen. [Folgen Beispiele.] Ein Querstrich — zeigt an, dass man in den begleitenden Stimmen den vorhergehenden Akkord oder ein einzelnes Intervall desselben unverändert beibehalten soll. Dessen ungeachtet kann der Akkord oder das Intervall nach Umständen aufs neue angeschlagen werden. [Folgen Beispiele.] Sind zwei übereinander stehende Ziffern vorhergegangen, so folgen gewöhnlich zwei Querstriche, wenn nämlich beide vorhergehende Töne unverändert beibehalten werden sollen. [Folgt ein Beispiel.] Nach 3 Ziffern bedient man sich ähnlicher ==. Wenn man in Rücksicht der gegebenen Regeln der Eintheilung der Ziffern abweichen soll, so wird dieses auch durch Querstriche bestimmt. [Folgen Beispiele.] Durch einen schrägen Strich / wird angedeutet, dass man beim Eintritt derjenigen Note, über welcher dieser Strich stehet, den jedesmal bezeichneten Akkord der folgenden Note im voraus anschlagen soll. [Folgen Beispiele.] Vermittelst eines ^ bezeichnen manche Componisten den verminderten Dreiklang, gewisse unvollständige Akkorde, Vorhalte, durchgehende Harmonien und andere nur zweistimmig zu begleitende Stellen. [Dazu 5 Beispiele.] Bei den mit unisono (un., all’ unisono, all’ ottava) bezeichneten Stellen spielt man in der rechten Hand und zwar die nächstliegende höhere Oktave mit; wo der Begleiter wieder ganze Akkorde angeben soll, setzt man wieder Ziffern hin. [Folgen 2 Beispiele.] Auch vermittelst der Zahl 8 8 8 oder abgekürzt 8—. [Folgen Beispiele.] T. S. zeigt an, dass man nur die vorgeschriebene Taste ohne alle weitere Begleitung anschlagen solle, bis wieder Ziffern kommen. [Folgt ein Beispiel.] Wo die begleitenden Stimmen pausiren, könnte man solches wie hier bezeichnen, nämlich durch O, wodurch der Generalbassspieler gezwungen würde, so lange mit der rechten Hand zu pausiren, bis wieder Ziffern eintreten. [Folgen mehrere Beispiele.]
Das ist oder war die Vorlage zu Seyfried’s erstem Capitel. Eine Eintheilung in Capitel hat Beethoven nicht. Doch das wäre das Wenigste. Wenn der Leser unsern Auszug mit dem Text Seyfried’s von Wort zu Wort vergleicht, so wird er finden, dass Seyfried keinen Satz ungeändert gelassen hat. Und wie den Text, so hat Seyfried auch die Notenbeispiele geändert. Er hat aus Viertelnoten Achtelnoten gemacht, hat Noten weggelassen, hinzugefügt u. s. w.
Bevor wir in dem Text der Handschrift fortfahren, haben wir von einigen Randbemerkungen Kenntniss zu nehmen.
Auf der ersten Seite des Heftes, welchem der obige Auszug entnommen ist, stehen am äussersten linken Rande folgende Worte von Beethoven’s Hand:
»Von 101 bis 1000 fl. ein Viertheil — alle Einwohner oder Miethparteien ohne Unterschied«.
Diese Randbemerkung lässt sich auf folgende Weise deuten. Am 28. Juni 1809, als die Franzosen Wien besetzt hatten, erschien (nach Geusau’s »Geschichte der Haupt- und Residenzstadt Wien«, VI, S. 243) ein »Circulare, wodurch ein Zwangsdarlehen auf die Häuser in der Stadt und den Vorstädten, und zwar für die Hausinhaber durchaus der vierte Theil des Zinsertrages, für die Einwohner oder Miethpartheien aber a) von 101 bis 1000 Gulden Zins ein Viertheil, b) von 1001 bis 2000 Gulden Zins ein Drittheil« u. s. w. ausgeschrieben wurde. Beethoven, als ein Mitbetroffener, konnte sich leicht veranlasst sehen, jene Stelle abzuschreiben. Seine Randbemerkung ist uns nicht unwichtig. Es ist aus ihrem Erscheinen und aus ihrer Stellung zu schliessen, dass wenigstens die erste Seite des Heftes geschrieben sein musste, als die Bemerkung gemacht wurde. Also musste die erste Seite, wenn nicht mehr, Ende Juni 1809 oder spätestens Anfang Juli 1809 geschrieben sein.
Eine zweite Bemerkung steht auf der 17. Seite desselben Heftes mitten in einer Abhandlung über den Dreiklang, auf welche wir später kommen werden. An dem obern Rande dieser Seite, mit welcher zugleich ein neuer Bogen beginnt, stehen folgende Worte:
»Druckfehler in der Sonate für Klavier mit obligatem Violonschell—«
Erst nach und unter dieser Stelle beginnt die Fortsetzung des Textes der Abhandlung über den Dreiklang. Beethoven hatte also das Blatt ursprünglich zur Aufnahme von Druckfehlern bestimmt, und es ist selbstverständlich, dass die Sonate, in welcher die Druckfehler vorkommen, schon gestochen sein musste, als Beethoven dem Blatte eine andere Bestimmung gab. Welche Sonate kann Beethoven gemeint haben? Wenn man die Worte »in der Sonate« beachtet und wörtlich nimmt, so kann man nicht zweifeln, dass er die Sonate in A-dur Op. 69 gemeint habe. Beethoven hat fünf Sonaten für Clavier und Violoncell drucken lassen: die zwei Sonaten Op. 5, die zwei Sonaten Op. 102, und die eine Sonate Op. 69. Die ersten Anzeigen von dem Erscheinen der Sonate Op. 69 finden wir in der Wiener Zeitung vom 29. April 1809 und in dem Intelligenzblatt der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom Monat April 1809. Wenn, was sich mit Sicherheit annehmen lässt, die Sonate kurze Zeit nach ihrem Druck angezeigt wurde: so kann Beethoven die erst zu Druckfehlern bestimmte Seite nicht vor April 1809 zu einer theoretischen Abhandlung gebraucht haben. Stellt man dieses Ergebniss mit dem aus der ersten Randbemerkung gewonnenen zusammen, so lässt sich das zweite Viertel des Jahres 1809 als die Zeit bezeichnen, in welcher die ersten 16 Seiten der »Materialien zum Generalbass« geschrieben wurden. Hieraus folgt, dass die Schriften über Generalbass u. s. w. nicht in Zusammenhang mit Beethoven’s Unterricht bei J. Haydn oder Albrechtsberger gebracht werden können. Albrechtsberger starb am 7. März 1809, erlebte also nicht das Erscheinen der Sonate Op. 69. Ueberdies weiss man, dass Beethoven’s Unterricht bei Albrechtsberger 15 Jahre früher fällt.
Damit eröffnen sich nun neue Fragen. Es sind die Fragen: Welche Bestimmung hatten die Schriften ? War Beethoven vielleicht der Verfasser?
In Betreff der ersten Frage ist nicht zu zweifeln, dass die »Materialien« für den Unterricht bestimmt waren. Wir werden hierauf später zurückkommen.
Leicht ist die andere Frage zu beantworten. Um es kurz zu sagen: bis auf einige wenige Stellen, welche Beethoven hinzufügte, ist alles Abschrift; es sind Auszüge aus gedruckten Werken, und Beethoven eigentümlich bleibt nur die Zusammenstellung der ausgezogenen Stellen, die Art der Zusammentragung. Auch hat Beethoven sich nicht selten verschrieben und oft Wörter und Wortfolgen geändert. Die Aenderungen sind zum Theil charakteristisch. Er vermied z. B. einigemal das Wort »galant« und wählte einen ändern Ausdruck dafür.
Es ist gelungen, wenige Zeilen ausgenommen, überall die von Beethoven benutzten Vorlagen aufzufinden. Diese sind bei den Schriften über Generalbass oder Harmonielehre folgende: C. Ph. E. Bach’s »Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen«, 2. Theil, 2. Auflage; D. G. Türk’s »Kurze Anweisung zum Generalbassspielen«, 1. Ausgabe v. J. 1791; J. G. Albrechtsberger’s »Gründliche Anweisung zur Composition«, 1. Ausgabe v. J. 1790; Kirnberger’s »Kunst des reinen Satzes« 8*)
Die Stellen nun in diesen Werken, welche Beethoven bei den »Materialien zum Generalbass« von Anfang an bis zu dem Punkte, wo der früher mitgetheilte Auszug abbrach, als Vorlagen gebraucht und abgeschrieben oder ausgezogen hat, sind der Reihe nach folgende: Bach’s »Versuch«, 2. Theil, 1. Capitel, §. 8; die Intervallen-Tabelle ist auch nach Bach §. 10, nur hat Beethoven die Primen hinzugefügt; Türk’s »Kurze Anweisung« §. 7; Bach, wie vorhin, §. 22, 27 bis 35; Türk §. 14: Bach §. 36; Türk §. 14, 15; Bach §. 41, 42; Türk §. 17 bis 22; Bach §. 44, 45; Albrechtsbergers »Anweisung« Seite 187: Türk §. 23 bis 27.
Indem wir nun den Faden in Beethoven’s Handschrift da, wo wir ihn verliessen, wieder aufhehmen, wird es nicht nüthig sein, den Text immer vollständig mitzutheilen. Es wird genügen, wenn da, wo ein neuer Abschnitt oder eine neue Vorlage beginnt, die Anfangsworte oder die ersten Sätze hergesetzt und dabei die von Beethoven benutzten Vorlagen angegeben werden. Beethoven fährt fort wie folgt:
Man vorbereitet und löset die Dissonanzen auf, d. h. dass sie vorher als Konsonanzen schon da sind, und nachher wieder zu Konsonanzen werden. [Folgen 2 Beispiele.] Ueber liegenden oder in einem Tone bleibenden Bassnoten können alle Dissonanzen unvorbereitet angeschlagen werden . . . . u s. w. 9*).
Vorausnahme der obern Stimmen. [Folgt ein Beispiel.] Vorausnahme des Basses. [Folgt ein Beispiel.] Bei der Vorausnahme der obern Stimmen pflegt man auch den Querstrich / so wie bei den anschlagenden Wechselnoten zu machen …. u. s. w. 10*).
Wenn man vor der Resolution den Ton der Grundstimme mit einem andern in der rechten Hand verwechselt, so ist dieses eine Verwechselung der Harmonie . . . . u. s. w.
Bei gewissen Gelegenheiten, welche an ihrem Orte vorkommen, pflegt man …. u. s. w.
Wenn das Accompagnement bloss auf die dem innerlichen Werthe nach lange Noten fällt, so ist der Durchgang regulär . . . . u. s. w.
Die Dissonanzen, welche in beiderlei Durchgängen verkommen …. u. s. w. 11*).
Ungetheilt heisst die Begleitung, wenn man, ausser dem Basse, alle Stimmen mit der rechten Hand spielt . . . . u. s. w.
Grundakkorde sind diejenigen, von welchen andere abstammen. Solcher Grundakkorde sind nur 2, der Dreiklang und Septimen – Akkord. Alle die übrigen von diesen hergeleiteten Akkorde heissen Versetzungen oder Nebenakkorde . . . . u. s. w.
Die Dissonanz resolvirt gewöhnlich eine diatonische Stufe abwärts …. u. s. w.
Bei den durchgehenden Noten sind noch harmonische Nebennoten zu bemerken …. u. s. w. 12*).
Vom Dreiklang. Dieser Akkord wird zwar ohne Andeutung gegriffen. Wenn man aber die Ziffern, welche seine Intervallen anzeigen, einzeln oder zusammen über Noten antrifft, so hat es seine guten Ursachen. Bald sind Dissonanzen … . u. s. w. 13*).
DerSexten-Akkord. Die gewöhnliche Bezeichnung dieses A. ist eine 6 allein; ausserdem findet man zuweilen die übrigen Intervallen aus gewissen Ursachen mit angedeutet. Die unmelodischen Fortschreitungen werden durch Verdoppelung vermieden. … u. s. w. 14*).
Von dem uneigentlichen verminderten harmonischen Dreiklange. Er wird entweder gar nicht oder durch die gewöhnliche Signatur der falschen Quinte (5♭) angedeutet.. .. u. s. w. 15*).
Weil aber auch der 3/6-Akkord mit der falschen 5. häufig nur durch 5♭ oder 5♮ bezeichnet wird, so fügen manche . . . . u. s. w. 16*).
Vom uneigentlichen vergrösserten harmonischen Dreiklange. Dieser hat ausser der übermässigen oder vergrösserten 5te bei der 4stimmigen Begleitung noch die grosse 3. und 8ve bei sich . . . . u. s. w. 17*).
Vom Sextquarten-Akkord. Die Signatur 4/6 ist hinlänglich, diesen A. anzudeuten. Die verminderte 4te hat eine Vorbereitung nöthig . . . . u. s. w.
Wenn bei dem Sexten-Akkord die 3. durch die 4. aufgehalten wird …. u. s. w.
Wenn man die Auflösung der falschen 5te durch eine Verwechselung dem Basse überlässt, und bei dem 4/6-Akkord die 6. verdoppelt, so ist es besser, als wenn man so verfährt, wie es eigentlich sein sollte, dass nemlich die falsche Quinte bei der zweiten Note in die 8. ginge . . . . u. s. w. 18*).
Vom 3/4/6ten-Akkord. Er wird durch die Signatur 3/4 angedeutet …. u. s. w. 19*).
Vom 5/6ten-Akkord. Dieser Akkord besteht aus 6., 5. und 3. Er wird durch die Signatur 5/6 . . . u. s. w. 20*).
Vom 2den-Akkord. Dieser A. besteht aus 2., 4. und 6. Die Signaturen davon sind . . . . u. s. w. 21*).
Vom Sekundquinten-Akkord. Dieser A. besteht aus der 2. und 5. Zur 4ten Stimme wird eines von beiden Intervallen verdoppelt …. u. s. w. 22*).
Vom Secundquintquarten-Akkord. Dieser Akkord besteht aus 2., 5., 4. Seine Signatur ist . . . . u. s. w. 23*).
Vom Secundterz-Akkord. Dieser Akkord besteht aus der kleinen 2., grossen 3. und reinen 5. Seine Signatur . . . . u. s. w. 24*).
Der Septimen-Akkord ist dreierlei; er besteht 1) aus der 7., 5. und 3.; 2) aus der 7.. 3. und 8.; 3) aus der 7. und doppelten 3 Er wird durch 7 oder 3/7 angedeutet …. u. s. w. 25*).
Vom Sextseptimen-Akkord. Dieser A. ist zweierlei. Er besteht . . . . u. s. w. 26*).
Vom Quartseptimen-Akkord. Seine Signatur ist 4/7. Er ist zweierlei . . . . u. s. w. 27*).
Vom Akkord der grossen Septime. Er besteht aus der grossen 7., der reinen 4., der grossen 2. Seine Sign…..u. s. w. 28*).
Vom Nonen-Akkord. Dieser A. besteht aus der 9., 5., 3. Seine Signatur . . . . u. s. w. 29*).
Vom Sextnonen-Akkord. Dieser A. besteht aus 9., 6., 3. Die Signatur …. u. s. w.30*).
Vom Quartnonen-Akkord. Dieser A. besteht aus der 9., 5. und 4te. Die Signatur . . . . u. s. w. 31*).
Vom Septimennonen – Akkord. Dieser A. besteht .aus 9., 7., 3. Seine Signatur . . . . u. s. w. 32*).
Vom Quintquarten-Akkord. Der 4/5ten A. besteht aus 4., 5., 8. Seine Signatur ist 4 3 oder 4\5 3, wenn die 4. gleich aufgelöset wird; geschieht diese erst in der Folge, so ist 4 oder 4\5 genug. Die reine, falsche 5., reine 4. und 8. sind die vorkommenden Intervalle unseres A. Die 4. ist allzeit vorbereitet und tritt bei der Auflösung herunter. [Folgen Beispiele. ] 33*)
Dies war die Vorlage zu Seite 14 bis 51 des Seyfried’schen Buches. Seyfried hat überall geändert. Was bei ihm (Seite 51 unten und S. 52) folgt, lässt sich handschriftlich nicht belegen. Es mag das letzte Blatt des Manuscripts verloren gegangen sein, was, nach der Vorlage zu schliessen, sehr wahrscheinlich ist. Beethoven’s Vorlage wäre wiederum gewesen: Bach’s »Versuch«, 2. Theil, 21. Capitel, §. 7.
Nun ist Einiges zu sagen über das andere, 20 Seiten umfassende Heft. Es handelt hauptsächlich von der Bezifferung der Accorde, und ist wiederum ein Auszug aus dem 2. Theil von Ph. E. Bach’s »Versuch«, Cap. 2 bis Cap. 21. Der Inhalt ist zum Theil mit dem in den »Materialien zum Generalbass« übereinstimmend; zum Theil ist er, was Bezifferung angeht, vollständiger. Es ist nicht nöthig, Auszüge zu bringen. Bach’s zwanzig Accorde werden der Reihe nach vorgeführt; auf der linken Seitenhälfte sind die Namen und Bestandtheile der Accorde angegeben, auf der rechten steht ihre Bezifferung. Das letzte Blatt des Heftes ist abgerissen. Nach einer näheren Mittheilung, welche wir Herrn L. Nohl verdanken, befindet es sich in Zürich 34*). Es ist paginirt mit 21 und 22. Auf Seite 21 steht die Fortsetzung des auf der letzten Seite des Heftes abgebrochenen Auszugs aus Ph. E. Bach’s »Versuch« (2. Theil, 21. Cap., §. 7) über den Quintquarten-Akkord. Auf Seite 22 schreibt Beethoven: “Lieben Freunde ich gab mir die Mühe bloss hiermit, um recht beziffern zu können, und dereinst andere anzuführen. Was Fehler angeht, so brauchte ich wegen mir selbst beinahe dieses nie zu lernen, ich hatte von Kindheit an ein solches zartes Gefühl, dass ich es ausübte, ohne zu wissen dass es so sein müsse oder anders sein könne.”
Seyfried hat diese Zeilen seinem Buche (Seite 71) in Faksimile beigegeben. Sonst hat er das Heft nicht benutzt.
Das dritte Heft verdient mehr Beachtung und eine Mittheilung des Inhaltes in kurzen Auszügen (mit Angabe der Anfangsworte u. s. w.) wie früher. Beethoven schreibt:
“Orgelpunkt. Wenn über langen aushaltenden Noten im Basse allerhand harmonische Veränderungen, welche mehrentheils aus Bindungen zu bestehen pflegen, vorkommen, so nennt man dieses Orgelpunkt (point d’orgue). Die Harmonie darüber ist oft auch ohne den aushaltenden Bass vollständig. Wenn man . . . . u. s. w.”
Diese Beispiele, wobei die Ziffern gesetzt sind, sollen einen deutlichen Begriff von der Einrichtung der Harmonie geben 35*). [Folgen Beispiele von Eberlin und Ph. E. Bach aus Türk’s »Kurze Anweisung« §. 195.] Lässt man den Bass weg, und beziffert dafür die in der zweiten Notenreihe tiefste Mittelstimme . . . . u. s. w. 36*).
Das ganze System der Akkorde. Zwei Grundakkorde: der Dreiklang und Septimen-Akkord. Tabelle der konsonirenden Akkorde 37*). [Folgt die 1. und 2. Tabelle aus Kirnberger’s »Kunst des reinen Satzes« I, S. 33.]
Die jetzt hergestellten dissonirenden Akkorde heissen wesentliche oder nothwendige Dissonanzen, weil sie nehmlich jedesmal ihre Stelle behaupten . . . . u. s. w.l 38*).
Akkorde mit einem Intervalle, wodurch der Dreiklang aufgehalten wird. Der Nonen-Akkord . . . . u. s. w. 39*).
Akkorde mit einem Intervalle, wodurch der Sexten-Akkord aufgehalten wird. Der Nonsexten -oder Sextnonen-Akkord …. u. s, w. 40*).
Akkorde mit einem Intervalle, wodurch der 4/6 Akkord aufgehalten wird. Der Sextquartuonen – Akkord oder Nonquartsexten – Akkord . . . . u. s. w. 41).
Akkorde mit einem Intervalle, durch welches der Septimen Akkord aufgehalten wird. Der Sextseptimen-Akkord… .u. s. w. 42*).
Akkorde mit einem Intervalle, wodurch der 5/6ten, 3/4ten, und 2den Akkord aufgehalten wird. Die 6. durch die 7. aufgehalten im 5/6ten Akkord . . . . u. s. w. 43*).
Akkorde, welche durch Aufhaltung zweier Intervalle entstehen. Der Dreiklang mit 2 Intervallen aufgehalten. Der Quartnonen – oder Nonquarten-Akkord . . . . u. s. w. 44*).
Sexten-Akkord durch 2 Intervalle aufgehalten. Nonseptimen-Akkord …. u. s. w. 45*).
Der 4/6 Akkord durch 2 Intervalle aufgehalten, durch die 9 und 7, durch die 7 und 5, durch die 7 und 3.
Ferner hat Seyfried (S. 70) mit Unrecht die letzten Stellen des Auszugs, die doch dem Inhalte nach zusammengehören, getrennt. Beethoven will (mit Türk) nichts Anderes sagen, als dass es ausser dem einen, zuerst vorgetragenen System noch ein anderes giebt, welches vom ersten darin abweicht, dass es die Nonen, Undecimen- und Terzdecimen-Accorde nicht als Vorhaltsbildungen erklärt, sondern durch Terzenzusätze unter den Grandton eines Septimen-Accordes bildet.
Seite 107 und 108; sieben Uebungen. Die Zwischenbemerkungen Seyfried’s (Seite 107 unten und S. 108) stehen jedoch nicht im Manuscript. Auch hat Seyfried hier und in allen folgenden Uebungen Taktzeichen und Wörter (»Ausfüllung« u. s. w.) vorgesetzt und Ziffern eingefügt, die nicht in der Handschrift stehen.
Beethoven’s Uebungen im einfachen Contrapunkt bei Albrechtsberger sind in zwei Gruppen zu sondern. Zuerst kommen Uebungen in allen Gattungen des zwei-, drei- und vierstimmigen strengen Contrapunkts. Sie nehmen einen Raum von 16 enggeschriebenen Seiten ein. Das Manuscript ist aber nicht vollständig und es mögen 4 Seiten fehlen. Den Uebungen liegen zwei feste Gesänge zu Grunde, der eine in F dur, der andere in D moll. Von Albrechtsberger’s Hand sind geschrieben einige allgemeine Regeln und verschiedene auf Beethoven’s Uebungen sich beziehende Bemerkungen. Regeln, welche auf die einzelnen Gattungen eingehen, sind nicht vorhanden. Es ist daher wahrscheinlich, dass ein gedrucktes Lehrbuch gebraucht wurde. Dies konnte, nach einer später mitzutheilenden Bemerkung, kein anderes sein, als Albrechtsberger’s »Anweisung zur Composition« in der Ausgabe vom Jahre 1790. Von Beethoven’s Hand finden sich einige Bemerkungen vor. Bei einer Uebung der zweiten Gattung des dreistimmigen Contrapunkts bemerkt Beethoven: »Der Niederstreich soll vollstimmige Akkorde haben, der Aufstreich kann leere haben«. Beim vierstimmigen Satz findet sich zu Anfang die Bemerkung: »Die Licenzen [nämlich erlaubte verdeckte Quinten und Octaven] abwärts sind besser als aufwärts. Die Licenzen dürfen in der obern Stimme höchstens einen Quintensprung, im Basse und in den Mittelstimmen können sie auch einen 4ten, 6ten und 8ven-sprung haben. Bei dem 4ten sprunge hinauf und bei dem 6ten Sprunge hinauf sind in der geraden Bewegung verdeckte Quinten und 8ven zu machen«. Bei einer unvorbereiteten Septime, welche Beethoven nicht in einer Uebung sondern am Rande anbringt, fragt er: »ist es erlaubt?« Andere und anderartige Bemerkungen finden sich nicht vor. Bemerkt kann noch werden, dass, ähnlich wie in Albrechtsberger’s »Anweisung«, auch Uebungen in andern Taktarten, als im gewöhnlichen Ç-Takt, vorgenommen wurden. Seyfried hat von allen Uebungen keine aufgenommen.
Nun ist die zweite Gruppe der contrapunktischen Uebungen zu erwähnen. Sie füllen 8 Seiten. Das Manuscript kann aber unvollständig sein, und es mag etwa ein Blatt fehlen. Die Uebungen sind theils im strengen, theils im freien Satze geschrieben. Allen liegt folgender Cantus firmus zu Grunde:
Die Uebungen sind von Albrechtsberger corrigirt und mit Bemerkungen versehen. Eine Bemerkung lautet: »Nebst der wesentlichen Septime sind noch im freyen Satze frey anzuschlagen erlaubt die kleine über dem 4. grossen Ton, die verminderte auf dem 4. und 7. grossen Ton«. Von Beethoven’s Hand findet sich ausser Ueberschriften u. dgl. keine Bemerkung vor. Seyfried hat aus dieser Sammlung das Material zu seinem 15. Capitel genommen. Alle Beispiele oder Uebungen, welche darin von Seite 146 bis 154 vorkommen, sind von Beethoven gesetzt und geschrieben. Jedoch ist zu bemerken, dass Seyfried mehrere Stellen in den Uebungen geändert hat, und dass die Bemerkungen, welche bei ihm von Seite 146 Zeile 7 bis Seite 149 unten vorkommen, nicht in der Handschrift stehen. Mit dem letzten Beispiel Seite 154 bricht das Manuscript ab. Ueber das Folgende lässt sich also nichts sagen.
Das wären nun Beethoven’s contrapunktische Uebungen bei Haydn und Albrechtsberger. Es ist aber noch eine vierte Sammlung zu erwähnen, welche sich unter Beethoven’s Nachlass vorfand. Sie besteht aus einigen Heften, umfasst über 120 Seiten und enthält Uebungen in allen Gattungen des zwei-, drei- und vierstimmigen Contrapunkts von fremder Hand, und Regeln, Anmerkungen u. dgl. von Albrechtsbergers Hand 52*) geschrieben. Allem Anschein nach sind es Uebungen eines andern, unbekannten Schülers Albrechtsberger’s. Von Beethoven sind sie gewiss nicht. Beethoven’s Handschrift ist nirgends zu finden 53*). Gleichwohl hat Seyfried die Sammlung benutzt. Doppelt schlimm aber für ihn, dass er sich gleich an einigen Beispielen, welche dem “Gradus ad Parnassum” von Fux entnommen sind und welche dem Schüler nur als Muster dienen konnten, vergriff und sie änderte. Es sind die bei ihm Seite 87 bis 91 stehenden Beispiele des zweistimmigen Contrapunkts. Im Manuscript sind sie (von der Hand des Schülers) genau so geschrieben, wie sie in der lateinischen Ausgabe des » Gradus«, Seite 53 — 55, 59 und 60, gedruckt sind. Auch die dabei stehenden, meistens in lateinischer Sprache geschriebenen und mit Fux übereinstimmenden Bemerkungen hat Seyfried geändert. Dass Seyfried hier die vorliegende Sammlung und nicht eine andere, später zu erwähnende benutzt hat, geht u. a. auch daraus hervor, dass die Beispiele, welche er Seite 89 bringt und fälschlich auf den Leitton bezieht, welche aber eigentlich nur die mit einem verminderten Septimen-Accord vorzunehmenden enhannonischen Verwechselungen zeigen sollen, in derselben Folge auch in der Handschrift zwischen dem letzten Beispiel der ersten Gattung und dem ersten Beispiel der zweiten Gattung vorkommen. Jedoch stehen sie hier, ohne Zusammenhang mit dem Vorhergehenden, am untern Ende einer Seite, wo sie von Albrechtsberger hingeschrieben wurden, augenscheinlich, weil er hier zur Anbringung einer spätern, beiläufigen Bemerkung eine leere Stelle fand. Ausser den angeführten Beispielen sind folgende Uebungen bei Seyfried der Sammlung entnommen:
nur fünf Nebentonarten welche in Durtönen hinauf in Molltönen herab, sammt ihren natürlichen Terzen sich hier befinden. Dienlich zu einer langen Fuge, Konzert, Sinfonie. Die angezeigte Ordnung wie diese T. aufeinander folgen, ist nicht immer zu beobachten. C-dur und A-moll haben gleiche Verwandte, eben so G-dur und E-molI und so fort alle Durtöne mit ihren kleinen Unterterzen . . . . u. s. w. 85*).
Von der Fuge
Die antwortende Stimme ahmt in der Oberquinte oder Unterquarte oder auch in der Ober- oder Unteroktave das Thema nach. Bleibt sich der Gegensatz in allen Stimmen gleich, so kann er auch das zweite Thema heissen, dann ist’s eine Doppelfuge. Behält er nicht den nehm-lichen Gesang eine einfache Füge. Geht der Satz vom Hauptton in seine Ober 5, so geht die Antwort von der 5 in den Hauptton …. u. s. w. [Folgen Beispiele.] 86*).
Nach altem Gebrauch hat eine regelmässige Fuge 5 Tonarten zu verwandten, die schon oben angegeben. Da man bald dieser, bald jener Stimme den Hauptsatz, oder den Gegensatz, oder bald diesem, bald jenem Paar Stimmen eine Nachahmung in den verwandten Tonarten gibt . . . . u. s. w. 87*).
Die Eintritte sind die schönsten zu Anfänge sowohl 3- als mehrstimmiger Fugen, wo die Stimmen in der Ordnung hinauf oder herab sich beantworten …. u. s. w. 88*).
Es gibt auch Fugensätze welche in der 2, 3, 4, 6, 7 der Tonica anfangen …. u. s. w. [Mit Beispielen.] 89*).
Was dem Hauptsatze (thema) wenn die zweite Stimme damit eiu-tritt, entgegen gestellt wird, heisst der Gegensatz …. u. s. w. 90*).
Seyfried hat diese Auszüge benutzt, aber sehr verändert in seinem Buche Seite 181 bis 185 und Seite 189 (Zeile 8 von untenj bis Seite 192. Was er übrigens Seite 185 (Zeile 4 bis 7, 13 und 14) und Seite 192 (Zeile 6 ff.) sagt, davon steht kein Wort im Manuscript.
Nach der ersten Durchführung macht man nach einigen Zwischensätzen eine Cadenz im Hauptton oder Quinte, oder man macht keinen Zwischensatz und gleich die Cadenz, bei welcher der Führer oder Gefährte in der Stimme (es braucht dieselbe Stimme, womit die Fuge angefangen, nicht zu sein) eintritt, wo er nicht zuletzt war (ausgenommen wenn Abkürzungen vorher in ändern u. derselben Stimme geschehen). Bei der zweiten Durchführung, wenn es möglich ist, oder wenn man will, die Antwort etwas näher oder eigentlich zu sagen auf die zweite eintretende Stimme (wenn es nöthig oder weiiii man will) den Satz ehe die erste selben vollendet hat (halbe Engführung) wenn viele Arten der engen Nachahmung bei dem Satze möglich sind oder sonst die Fuge nicht zu lange werden soll. Die zweite angefangene Durchführung entweder durch alle oder nur einige Stimmen, die Stimme welche alsdenn in der dritten Durchführung den Satz zuerst nehmen soll lässt man vermittelst einiger Pausen vorhero schweigen.
3) Auch mitten in einem Satz ist sie überall zu vermeiden« …. n. s. w. Später schreibt Beethoven Hebungen. — Was Albrechtsberger über den doppelten Contrapunkt in der Decime und über die folgenden Contrapunkte schreibt, stimmt der Sache nach mit dem überein, was in seinem gedruckten Lehrbuch steht. Nur ist alles gedrängter gefasst.
Wegen der reinen 5 ist noch anzumerken, dass [Man] 92*j sie nicht sprungweise, auch nicht wenn beide Stimmen stufenweise einhergehen, anbringen darf …. u. s. w. [Folgen Beispiele.] 93*)
Hier oder da muss man des Gesanges wegen ein Intervall erniedrigen oder erhöhen, welches erlaubt ist. In der wirklichen Aus arbeitung braucht 101*) die Verkehrung nicht gleich von Anfang angebracht werden, und bis zu Ende fortgeführt werden: sondern …. u. s. w. 102*).
In meinen Mittheilungen bin ich, ohne auf die chronologische Folge der Handschriften besondere Rücksicht zu nehmen, nach Fächern vorgegangen, nämlich so, wie die einzelnen Theile der Compositionslehre auf einander folgen. Eine solche Darlegung mag der Uebersichtlichkeit. wohl einigen Eintrag gethan haben; sie geschah aber nicht ohne Grund und hauptsächlich deswegen, um mit dem Buche Seyfried’s so viel als möglich parallel zu bleiben. Es erübrigt nun, um eine andere Betrachtungsweise anzunehmen, die Handschriften so zu sondern, wie sie nach Grund und Zeit ihrer Entstehung zusamm engehören.
Die Handschriften lassen sich in fünf Gruppen theilen. Zuerst kommen die Schriften, welche dem Unterricht bei Joseph Haydn angehören. Vorhanden sind 245 Uebungen im einfachen Contrapunkt über sechs feste Gesänge in den alten Tonarten. Diese Uebungen können den für den Unterricht anzunehracnden Zeitraum von einem Jahre (von Ende 1792 bis Ende 1793 oder Januar 1794) schwerlich ausfüllen. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass den contrapunktischen Uebungen als Einleitung eine gedrängte Lehre vom Contrapunkt überhaupt, von der Natur der Consonanzen und Dissonanzen, von deren Behandlung in den verschiedenen contrapunktischen Gattungen u. dgl. vorherging. Es ist ferner wahrscheinlich, dass Haydn, wie er es bei ändern Schülern pflegte, auch seinem Schüler Beethoven ein geschriebenes Compendium in die Hand gab, welches jene einleitenden contrapunktischen Elemente enthielt. Dieses Compendium oder Elementarbuch mag, als Seyfried sein Buch zusammenstellte, noch vorhanden gewesen sein und den Stoff geliefert haben zum Anfang seines zweiten Abschnittes (Seite 75 bis 87 oben), welcher sonst nicht zu belegen ist. Allein auch hiermit ist jener Zeitraum noch nicht ausgefüllt. Will man noch weiter zimiekgchen, so kann man die Vermuthung aufstellen, der Unterricht bei J. Haydn habe mit der Harmonielehre und mit Generalbass-Uebungen begonnen, wobei dann wohl das von Haydn geschätzte Lehrbuch Ph. E. Bach’s zu Grunde gelegt werden konnte 121*).
Auf den Unterricht bei Joseph Haydn folgte der bei Albrechtsberger. Er mag im Januar 1794 begonnen und etwas Uber ein Jahr gedauert haben. Die vorhandenen Uebungen betreffen einfachen Contrapunkt, Nachahmung, einfache Fuge, fugirten Choral, die doppelten Contrapunkte in der Octave, Decime und Duodecime, Doppelfuge, dreifache Fuge und Kanon, theils in strenger, theils in freier Schreibart. Seyfried stellt die von ihm herausgegebenen »Studien« so dar, als ob alles, was darin vorkommt, dem Unterrichte Beethoven’s bei Albrechtsberger angehörte 122*). Man braucht wohl weiter keine Worte zu verlieren, um die Unverträglichkeit einer solchen Darstellung mit dem Ergebniss unserer Untersuchungen nachzuweisen. In Wahrheit kann nur der kleinste Theil der »Studien« auf den Unterricht Beethoven’s bei Albrechtsberger zurückgeführt werden. Das Meiste, was darin vorkommt, liegt ausserhalb dieses Unterrichtes und gehört, abgesehen von allen Aenderungen, ändern Arbeiten an. Bei jenem kleinsten Theil hat es sieh Seyfried nun gar bequem gemacht. Er hat nämlich von den von Beethoven geschriebenen Uebungen nur solche aufgenommen, welche ihm in Reinschrift oder deutlich geschrieben Vorlagen. Diejenigen Uebungen, welche in Folge mancher Aenderungen schwer zu lesen sind, hat er weggelassen. So ist es zu erklären, wenn Seyfried von den Uebungen im strengen einfachen Contrapunkt keine einzige aufgenommen hat. Wollte man aus seinem Buche die dem Cursus bei Albrechtsberger angehörenden Stellen zusammenstellen, und könnte man hierbei absehen von allen Unrichtigkeiten: so würde man doch ein lückenhaftes und falsches Bild bekommen. Auch auf die Beethoven beigelegten Randglossen, mit denen das Buch Seyfried’s so reich gewürzt ist, brauchen wir nicht näher einzugehen. Thatsache ist, dass in allen Handschriften, welche dem Unterrichte bei Albrechtsberger angehören oder irgendwie in Verbindung damit gebracht werden können, keine einzige von jenen »sarkastisch hingeworfenen Randglossen« zu finden ist. Beethoven’s Randbemerkungen, welche darin Vorkommen und welche wir überall, wo es thunlich war, angeführt oder mitgetheilt haben, sind ganz anderer Art, als die von Seyfried gebrachten. Sie zeigen, dass Beethoven bei der Sache war und darauf einging. Es wäre auch unerklärlich, was Beethoven hätte vermögen können, den Unterricht bei einem Lehrer fortzusetzen, mit dem er sich, nach Seyfried’s Darstellung, schon beim einfachen Contrapunkt im Widerspruch befand. Stand es doch in seiner Macht, jeden Augenblick abzubrechen.
Als dritte Gruppe erscheinen die wenigstens 200 Querfolio-Seiten füllenden Auszüge Beethoven’s aus verschiedenen gedruckten Lehrbüchern über Generalbass, Coutrapunkt, Fuge, doppelten Contrapunkt und Kanon. Ueber die Zusammengehörigkeit dieser Handschriften lässt ihre äussere Beschaffenheit keinen Zweifel übrig. In welcher Folge sie geschrieben wurden, kann nicht bestimmt werden; doch macht die Natur der Sache es wahrscheinlich, dass sie so niedergeschrieben wurden, wie die Gegenstände, die sie behandeln, in der Compositions-lehre auf einander folgen. Es mögen also die Schriften über Generalbass den Anfang gemacht haben. Aus früheren Ermittelungen wissen wir, dass die »Materialien zum Generalbass« im zweiten Viertel des Jahres 1809 in Angriff genommen wurden. Besondere Merkmale, aus welchen man Schlüsse ziehen könnte auf die Entstehungszeit der ändern, über Contrapunkt, Fuge u. s. w. handelnden Schriften, haben sich nicht gefunden. Es ist aber mit Sicherheit aus der Beschaffenheit der Handschrift, aus der Gleichheit des Papieres und aus ändern äusseren Erscheinungen zu entnehmen, dass sämmtliche hierher gehörige Schriften, so zu sagen, in einem Zuge niedergeschrieben wurden. Man wird also schwerlich irren, wenn man sie sämmtlich in das Jahr 1809 versetzt. Eine Heftung und Sonderung der Schriften je nach ihrem Inhalt scheint, etwas später vorgenommen zu sein, wobei dann ein Theil in Unordnung gerathen sein mag, so dass man hier und da über den Gang, den Beethoven gewollt, zweifelhaft werden kann.
Dass die Schriften, wie früher bemerkt, für den Unterricht bestimmt waren, dafür lässt sich Folgendes geltend machen. Erstens sagt es Beethoven selbst in der früher mitgetheilten Bemerkung: »ich gab mir die Mühe bloss hiermit, um recht beziffern zu können, und dereinst andere anzuführen« u. s. w. Zweitens ist ein wahrscheinlich i. J. 1817 geschriebener Brief 123*) anzuführen, in welchem Beethoven sich von T. Haslinger den »Kirnberger« erbittet und dann sagt: «Ich unterrichte Jemanden eben im Contrapunkt, und mein eigenes Manuscript hierüber habe ich unter meinem Wust von Papieren noch nicht herausfinden können«. Unter dem eigenen Manuscript kann Beethoven nur die in Rede stehenden Auszüge (über Contrapunkt) verstanden haben. Drittens lässt die Beschaffenheit einiger vorgenommenen Gegenstände z. B. Bezifferung) keine andere Erklärungsweise, als die obige, zu.
Es ist nun ferner sehr wahrscheinlich, dass die Auszüge durch den Unterricht des Erzherzogs Rudolf veranlasst wurden. Diese Vermuthung gründet sich hauptsächlich darauf, dass der Erzherzog der einzige Schüler Beethoven’s war, für den sich die Herstellung eines so (über-) vollständigen theoretischen Apparates lohnen konnte. Wann dieser Unterricht begann, lässt sich nicht genau bestimmen. Es lassen sich aber die vorhandenen Angaben mit dem Datum der Handschriften in Einklang bringen. Schindler sagt Biogr. (I, 165), im Jahre 1808 sei die musikalische Fortbildung des Erzherzogs den Händen Beethoven’s anvertraut worden. Schindler sagt aber nicht, ob der Unterricht im Clavierspiel oder in der Composition bestanden habe. Auch giebt er keine nähere Quelle an. Aus späteren Jahren sind Briefe und andere Handschriften vorhanden, welche mit Sicherheit auf einen Unterricht in der Composition schliessen lassen 124*). Dass Beethoven zur Zeit, als er seine Auszüge machte, in ein gewisses näheres Verhältniss zum Erzherzog getreten war, geht aus der Widmung des im August 1808 erschienenen G-dur-Concertes und daraus hervor, dass der Erzherzog sich am 1. März 1809 an der Aussetzung eines Gehaltes für Beethoven betheiligt hatte. Wenn, was wir annehmen wollen, der Unterricht im Jahre 1808 begann, dann musste er im folgenden Jahre eine längere Unterbrechung erleiden; denn der Erzherzog war, wahrscheinlich durch die Annäherung der Franzosen und durch die Besetzung Wiens veranlasst, ungefähr neun Monate von Wien abwesend. Man weiss das aus den Widmungen der Sätze der Claviersonate in Es-dur Op. 81a. Das Original-Manuscript des ersten Satzes dieser Sonate hat die Aufschrift: »Das Lebewohl. Wien am 4ten Mai 1809 bei der Abreise S. Kaiserl. Hoheit des Verehrten Erzherzogs Rudolf«: und das Autograph des letzten Satzes war überschrieben: »Die Ankunft, S. Kais. Hoheit des Verehrten Erzh. Rudolf den 30. Januar 1810«. Stellt man diese Data mit den früheren zusammen, so kann man sagen: Beethoven habe die Abwesenheit des Erzherzogs benutzt, um seine Auszüge zu machen und um sich für den wieder aufzunehmenden und voraussichtlich langdaueruden Unterricht theoretisch sicher zu stellen. Dass nun Beethoven, statt sieh bei jedem oder bei mehreren Gegenständen an ein oder zwei übereinstimmende Lehrbücher, z. B. beim Generalbass nur an Türk’s Anweisung zu halten, aus sieben Büchern einen Ballast zusammenbrachte, in welchem verschiedene. zum Theil sich widersprechende Systeme sich berühren, das ist eine Erscheinung, welche uns merkwürdig dünkt und welche wohl an einem ändern Orte einer Betrachtung werth ist.
1*) Der allgemeine musikalische Anzeiger, vom 11. April 1829 berichtet: »Die aus Beethoven’s Nachlass käuflich an sieh gebrachten reich-haltigen Materialien zum Studium der Composition und des Contrapunktes (bestehend in 5 Packen Handschriften Beethoven’s und seines Lehrers Albrechtsberger) hatte der hiesige Musikverleger Haslinger bereits vor geraumer Zeit dem Hrn. Capellmeister Ritter von Seyfried zur Ausarbeitung zum Behufe der öffentlichen Herausgabe derselben übergeben« u. s. w. — Am 9. Januar 1830 wird mitgetheilt, »dass das Unternehmen ziemlich weit vorgerückt, und die gänzliche Vollendung noch im gegenwärtigen Jahre zu hoffen sei« u. s. w. — Spätere Notizen sprechen von einer Verzögerung des Druckes.
2*) Selbstverständlich kann bei den Citaten und Verweisungen aul Seyfried’s Buch nur die Wiener Ausgabe gebraucht werden.
3*) Die fünf Umschlagbogen haben folgende fünf Aufschriften: »Contrapunktische Aufsätze, manches wahrscheinlich Original. Nr. 149«. — »Uebungen im Contrapunkt mit eigenhändigen Zusätzen von Beethoven« — »Beethoven’s Materialien zum Contrapunkt.«— »Fugirte und contra-punktische Aufsätze.« — »Aufsätze über Fuge.«
4*) Schreibfehler Beethoven’s. »Statt 12 muss es 13 heissen.
5*) Hier fehlen im Manuscript ungefähr die Worte: »bedienen sich die Franzosen«.
6*) Hier scheint ein Komma und das Wort »auch« zu fehlen,
7*) Beethoven hat hier die Worte »und nicht unter« vergessen. An dere Ungenauigkeiten übergehen wir.
8*) Von C. Ph. E. Bach’s »Versuch«, 2. Theil, liegen zwei verschiedene Ausgaben vor: die erste vom Jahre 1762 (Berlin) und eine »zweite verbesserte Auflage« vom Jahre 1797 (Leipzig). Beethoven kann nur die zweite Ausgabe gebraucht haben. Das ist zu erkennen an mehreren von Beethoven ausgozogenen Stellen, welche sich in der ersten Ausgabe nicht finden, wohl aber in der zweiten. Man vergleiche Seite 161 der 1. Ausgabe mit Seite 130 der 2. Ausgabe u. s. w. Von Türk’s »Anweisung« liegen sechs Ausgaben vor: Die älteste vom Jahre 1791 mit dem Titel »Kurze Anweisung« u. s. w.; die »zweite verbesserte und sehr vermehrte Auflage« vom Jahre 1800 mit dem Titel „Anweisung« u. s. w.; die dritte, nach dem Tode Türk’s erschienene, verschlechterte (auf dem Titel steht »verbesserte«) Ausgabe vom Jahre 1816 u. s. w. Die von Beethoven gebrauchte Ausgabe ist keine andere, als die vom Jahre 1791. Dies kann nachgewiesen werden an vielen Stellen, welche in der ersten Ausgabe anders lauten, als in allen späteren Ausgaben. Man vergleiche §. 7 der 1. Ausgabe mit §. 5 der 2. Ausgabe u. s. w. Von Albrechtsbergers »Anweisung« liegen die drei ältesten Ausgaben vor: die älteste, in Grossquart, vom Jahre 1790; eine spätere, in Gross-octav, ohne Jahreszahl; die dritte, »verbesserte und vermehrte«, auch ohne Jahreszahl. Nur an einigen verschiedenen Wortschreibungen (z. B. »hervorbringen« statt »Vorbringen«) und verschieden stilisirten Stellen ist zu erkennen, dass Beethoven die Ausgabe vom Jahre 1790 gebraucht hat. Beethoven besass Kirnberger’s Schriften in der Ausgabe von der chemischen Druckerei in Wien. Sein Exemplar ist vorhanden. Es enthält einige Bemerkungen von seiner Hand. Zu einem Beispiel im 5. Abschnitt des 2. Theiles der »Kunst des reinen Satzes«, wo vom doppelten Contrapunkt die Rede ist (in der Wiener Ausgabe ist es das mit Fig. 10 bezeichnete Beispiel; in der Berliner Ausgabe steht es mit seiner Versetzung Seite 17 oben), wird, Kirnberger beistimmend, bemerkt: »versteht sich von selbst sehr miserabel«. Andere Bemerkungen sind ähnlicher Art.
9*) Beethoven’s Vorlage: Ph. E. Bach’s »Versuch«, 2. Theil 1. (hw §. 58, 59, 61 bis 65.
10*) Albrechtsberger’s »Anweisung« (Ausg. v. J. 1790), S. 188 u. 18t).
11*) Bach, wie vorhin, §. 66 bis 69, 71, 73—79.
12*) Türk’s »Kurze Anweisung«, §, IM, :u, HU, 115und 5t>.
13*) Bach, 2. Cap., 2. Abschnitt, §. 8, 5 und 6.
14*) Bach, 3. Cap., 1. Abschnitt, §. 2, 13, 14, 16, 17, 20-22; 2. Abschnitt, §. 3, 7, 12—14.
15*) Bach, 4. Cap., §. 2 und 3.
16*) Türk, a. a. O., §. 109.
17*) Bach, 5. Cap., §. 1 bis G.
18*) Bach, 6. Cap., 1. Abschnitt, §. 2, 4, 7—11, 13 und 2. Abschnitt, §. 1, 4—6.
19*) Bach, 7. Cap., 1. Abschnitt, §. 2, 3, 6, 8—12 und 2. Abschn. §. 3—5.
20*) Bach, 8. Cap., 1. Abschn., §. 1—3, 5, 7—9 u. 2. Abschn., §. 1—7
21*) Bach, 9. Cap., 1. Abschnitt, §. 1—7, 10, 12, 13 und 2. Abschnitt §. 1—3.
22*) Bach, 10. Cap., §. 1—4, 7.
23*) Bach, 11. Cap., §. 1— 3.
24*) Bach, 12. Cap., §. 1—3, 5.
25*) Bach, 13. Cap., 1. Abschnitt, §. 1—4, 11—13), 15,18-20 und 2. Abschnitt, §. 2—6.
26*) Bach, 14. Cap., §. 1-5, 8.
27*) Bach, 15. Cap., §. 3, 4, 8—12, 15.
28*) Bach, 16. Cap., 1. Abschnitt, §. 1—3, 9, 10 und 2. Abschnitt §. 2.
29*) Bach, 17. Cap., 1. Abschnitt, §. 1—4, 7, 8 und 2. Abschn. §. 2 u. 3,
30*) Bach, 18. Cap., §. 1—3.
31*) Bach, 19. Cap., §. 1— 5, 7,
32*) Bach, 20. Cap., §. 1—7.
33*) Bach, 21. Cap., §. 1—4.
34*) Vgl. Briefe Beethovens Nr. 71.
35*) Beethoven’s Vorlage: Bach’s »Versuch«, 2.Theil, 24. Cap., §. 1, 2, 3, 4, 6.
36*) Türk’s »Kurze Anweisung« §.195.
37*) Türk, §. 69.
38*) Türk, §. 72—74’.
39*) Türk, §. 144, 145, 148—151.
40*) Türk, §. 153-156.
41*) Türk, §. 158—102.
42*) Türk, §. 164—107.
43*) Türk, §. 169—171.
44*) Türk, §. 173—175*
45*) Türk, §. 176.
46*) Türk, §. 177.
47*) Türk, §. 179-182.
48) Türk. §. 184—180.
49) Türk, §. 101—194.
50) Türk, Anmerkung zu §. 80.
51*) Dass, wie in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom 4- November 1863 gesagt wurde, die vorliegenden Uebungen mit dom Unterrichte Beethoven’s bei Schenk Zusammenhängen künnen, ist nicht wahrscheinlich.
52*) Albrechtsberger bemerkt bei einer Uebung: »Nova Cadenza«. Am Schluss eines Heftes steht von des Schülers Hand: »Finis. Omnia ad mayorem Dei Gloriam«. Diese Worte kommen bei Seyfried S. 138 und 155 vor.
53*) Schindler erzählt (Biogr. II, 309) von einem Heft, welches er bei Beethoven gesehen, und welches contrapunktische Arbeiten Albrechtsberger’s für seine Schüler enthalten habe. Könnte das nicht ein Heft von der obigen Sammlung gewesen sein?
54*) Beethoven’s Vorlage hei dieser Stelle: Kirnberger’s »Gedanken«, Seite 7 Seite 9 v. u. bis Seite 8.
55*) Beethoven’s Vorlage: Türk’s »Kurze Anweisung zum Generalbass-spielen«, §. 28.
56*) Fux’ »Grads ad Parnassum.« in Mizler’s deutscher Uebersetzung, S. 60 und 61.
57*) Kirnberger’s »Kunst des reinen Satzes«, erster Band, S. U3,
58*) Ph. E. Bach’s »Versuch«, 2. Theil, 2. Capitol, I. Abschnitt, §. 18—23.
59*) Türk, a. a. 0., §. 40. Dazu Beispiele aus Kirnberger’s »Kunst des reinen Satzes«, I, S. 139 und 140.
60*) Ph. E. Bach, a. a. 0., 2, Capitel, 1. Abschnitt, §. 35.
61*) Fux, a. a. 0., S. 64—72. Dazu die Beispiele Tab. II, Fig. 3 – 6 und 9—13.
62*) Albrechtsberger’s »Anweisung zur Composition«, Ausgabe vom Jahre 1790, Seite 28.
63*) Fux, a. a. 0., S. 72 und 73. Dazu die Beispiele Tab. II, Fig. 10 und 17 und Tab. III, Fig. 1.
64*) Fux, a. a. 0., S. 74 bis 77; Tab. II, Fi*. 21 ; Tab. III, Fig. 2 17; Tab. IV, Fig. 1—6.
65*) Fux, S. 77. Vgl. Seyfried S. 92.
66*) Albrechtsberger’s »Anweisung«, S. 18, 17 und 67.
67*) Fux, S. 78 und 79; Tab. IV, Fig. 7—17; Tab. V, Fig. 1—3.
68*) Fux, S. 80; Tab. V, Fig. 4 und 5.
69) Fux, S. 80—83; Tab. V, Fig. 6 bis 20; Tab. VI, Fig. 1.
70*) Fux, S. 83—85; Tab. V, Fig. 21 ; Tab. VI, Fig. 2-10.
71*) Fux, S. 80—94; Tab. VII, Fig. 2, 3, 6—11, 14—23; Tab. VIII, Fig. 1—9.
72*) Fux, S. 96, 97; Tab. VIII, Fig. 10-12; Tab. IX, Fig. 1-7.
73*) Fux, S. 98; Tab. X, Fig. 1—5.
74*)Fux S. 99—104; Tab. XI, Fig. 1—10, Tab. XII, Fig. 1—7; Tab, XIII, Fig. 1 und 2.
75*) Fux, S. 105; Tab. XIII, Fig. 3-7; Tab. XIV Fig. 1.
76*) Fux, s. 107, 108; Tab. XIV, Fig. 2, 3, 5-7; Tab. XV, Fig. 1—6, Tab. XVI, Fig. 1.
77*) Es sind die Beispiele bei Fux Tab. XVI, Fig. 2—5.
78*) Fux, S. 112—114; Tab. XVII, Fig. 1-5: Tab. XVIII, Fig. 1—1; Tab. XIX, Fig. I.
79*) Vgl. Seyfried, S. 12S.
80*) Fux, S. 115, 116; Tab. XIX, Fig. 2-7.
81*) Schindler sagt (Biogr. I, S. 79 f.) in Bezug auf Preindl’s »Wiener Tonschule«: »Wie viele Geisselhiebe hat nicht dieses Tonsetzlehrbuch des alten Reichs-Componisten von Beethoven auszuhalten gehabt!« Nun erschien aber die »Wiener Tonschule« erst im Jahre 1827 um die Zeit, als Beethoven schon todt war. Eine andere Ausgabe, als die von Seyfried nach dem Tode Preindrs herausgegebene, hat es nicht gegeben. Seite 126 im Anhang (der Wiener Ausgabe) von Seyfried’s »Studien« findet man eine Anzeige des Werkes. Recensirt ist es in der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom 19. März 1828 und in der Berliner Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom 4. Juni 1828.
82*) in Betveff der verschiedenen Bearbeitungen, in welchen die Stücke in Händel’s Ouverture zu Esther und in dessen »Six Sonatas for Two Violins, Two Hautboys« u. s. w. Vorkommen, lässt sich verweisen auf die Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung« vom 3. Februar 1869.
83*) Vorlage: Fux’ » Gradus ad Parnassum« in der Uebersetzung von Mizler, S. 123—12«. Dazu die Beispiele Tab. XXII, Fig. 12—14; Tab. XXIII, Fig. 1—4.; Tab. XXIV, Fig. 1—3; ferner die zweistimmige Fuge in Albrechtsbergers «Anweisung« (Ausg. v. J. 1790; Seite 170 und 177. 84*) Albrechtsberger a. a. 0. Seite 175 und 17«. Dazu die zweistimmigen Fugen bei Albrechtsberger S. 178 bis 180, die Beispiele und Fugen bei Fux, Tab. XXV, Fig. 1, 2, 4-7 und Tab. XXVI, Fig. 1 bis Tab. XXIX, Fig. 1.
85*) Albrechtsberger Seite 9 bis 10 oben.
86*) Albrechtsberger Seite 171—175 und i SU—10-1 (mit Beispielen der Beantwortung, Vergrösserung, Verkleinerung u. s. w.).
87*) Ebenda Seite 195, 196.
88*) Ebenda Seite 197.
89*) Ebenda Seite 197—3 99.
90*) Ebenda Seite 171.
91*) Albrechtsberger und Marpurg. Vgl. des Letzteren »Abhandlung« 4. Hptst. 3. Abschn. (Ausgabe v. J. 1753 S. 122 f.) und des Ersteren “Anweisung« (1790) S. 175 f. Eine Vergleichung der verschiedenen Ausgaben von Marpurg’s Abhandlung ergiebt, dass Beethoven die Ausgabe v. J. 1753 gebraucht hat.
92*) Beethoven Lat das eingeklammerte Wort vergessen.
93*) Vorlage – Albrechtsbergers »Anweisung« (Ausg. v. J. 1790), S. 283 bis 285.
94*) Fux’ »Gradus« deutsch Seite 142 und Tab. XXXI, Fig. 8.
95*) Albrechtsberger S. 287—290.
96*) Fux, S. 142, 143 und Tab. XXXII, Fig. 1-3.
97*) »Anweisung« S. 293—297.
98*) Fux, S. 144.
99*) Albrechtsberger S. 297—301.
100*) Fux, S. 145; Tab. XXXIII, Fig. 6, 7 und Tab. XXXIV, Fig. 1.
111*) Fux, S. 149—151; Tab. XXXIV, Fig. 6 und 9—11; Tab. XXXV, Fig. 2-4; Tab. XXXVI, Fig. 1-7; Tab. XXXVII, Fig. 1, 2, 5; Tab. XXXVIII, Fig. 1 und 2.
112*) Schreibfehler Beethoven’s.
113*) Vorlage: Fux, Seite 152—156; Tab. XXXVI, Fig. S—JO; Tab. XXXVII, Fig. 6; Tab. XXXVIII, Fig. a bis Tab. XXXX. Fig. 4.
114*) Albrechtsberger, S. 212—214.
115*) Albrechtsberger, S. 351—353.
116*) Vorlage: Albrechtsberger, a. a. 0., S. IIHO—383.
117*) Ebenda, S. 383—397.
118*) Ebenda, S. 398 u. 399
119*) Albrechtsberger, S. 415. Bei dem französischen Violinschlüssel hat sich Beethoven verschrieben; statt e muss der Buchstabe
120*) Folgende Stellen waren handschriftlich nicht zu belegen: Seite 51 unten bis 52, Text und Beispiele (Vorlage: Ph. E. Bach’s »Versuch«); Seite 73—74, Text und Beispiele (Vorlage: Kirnberger’s »Kunst des reinen Satzes«); Seite 75—87 oben, 12 Seiten (wahrscheinlich dem Unterricht bei J. Haydn angehörend); Seite 100—101 oben, eine Seite Text {Seyfried’s Zuthat?); Seite 134 unten bis 137, 3 Seiten Text und Beispiele (Vorlage : Fux’ » Gradus ad Parnassum «); Seite 139 unten bis 142 oben, 4 Beispiele (von Fux); Seite 145, ein Beispiel (von Fux); Seite 155, ein Beispiel (Product Seyfried’s?); Seite 156—159, Text und 8 Beispiele (Zuthat Seyfried’s aus Preindl’s »Wiener Tonschule«?); Seite 227 bis 232, eine vierstimmige Fuge (von?); Seite 335 und 330, 2 Kanons (aus Marpurg’s »Abhandlung von der Fuge«).
121*) A. C. Dies sagt Seite 38 seiner »biographischen Nach rieh ton«: »Nach seinem (J. Haydn’s) Urtheile sind (Ph. E.) Bach’s Schriften das beste, gründlichste und nützlichste Werk, welches als Lehrbuch je erschien«.
122*) Zu verweisen ist auf das Vorwort und auf S. 5 im Anhang der »Studien«. .
123*) Der Brief steht S. 37 im Anhang von Seyfried’s »Studien«.
124*) Als eine Frucht des Unterrichtes lassen sich die i. J. 1819 bei Steiner in Wien herausgekommenen Variationen des Erzherzogs über ein von Beethoven gegebenes Thema in G-dur bezeichnen.
125*) Hier mag einer jetzt leicht zu erklärenden Erscheinung gedacht werden. Zur Zeit des Streites um die Echtheit des Seyfried’schen Buches erklärte sich der Hauptangreifer Schindler (vgl. Biographie Beethoven’s, II, 308 ff.) zum Widerruf bereit, falls nachgewiesen würde, dass »sämmtliche Bestandteile der Studien von Beethoven’s eigener Hand geschrieben seien«. Diese Forderung wurde nicht erfüllt, und wäre es namentlich an Seyfried, als Herausgeber des Buches, gewesen, seine Sache zu vertreten und seinen Gegner durch Erfüllung seiner Forderung zum Schweigen zu bringen. Seyfried aber schwieg. Er schwieg, weil er schweigen musste. War doch zu befürchten, dass seine Fälschungen an’s Licht kommen würden.
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