Skizzenbuch “Kullak”
(Estratti)
(nmz) – Hirschberg – Eine Klavierkomposition, die Beethoven ein halbes Jahr vor seinem Tod verfasste und die bislang unerklärlicherweise von der Fachwelt übersehen wurde, tauchte im vergangenen September auf, nachdem ein Musikwissenschaftler diese bei Forschungsarbeiten zu Beethovens letztem Streichquartett in einer Randnotiz entdeckte. Am 1. April wurde sie dem Publikum auf der Frankfurter Musikmesse konzertant vorgestellt.
In dem sogenannten „Kullak Skizzenbuch“, das in der Staatsbibliothek Berlin in einem Tresor wie ein Schatz gehütet wird, entwarf Beethoven u.a. das genannte Streichquartett op. 135; er hatte allerdings auch die Angewohnheit, spontane Ideen stets dort niederzuschreiben, wo gerade Platz war – auch wenn die betreffende Idee ohne jeglichen Bezug zu den anderen Skizzen war, wie auch in diesem Fall.
Das Problem für die Nachwelt: Beethovens Schrift war selbst für Zeitgenossen kaum leserlich, dazu noch übersät mit Korrekturen, Tintenklecksen, Kaffeeflecken und so weiter. Aus diesem Gewirr von Notizen, musikalischen Ideen, verworfenen Takten und andern Informationen einen sinnvollen Notentext herauszulesen, und diesen auch zu unterscheiden von unbedeutenden Fragmenten, bedarf ganz besonderer Fachkenntnisse.
Auch das nun entdeckte Klavierstück wirkt auf den ersten Blick wie eine unvollständige und unbedeutende Randnotiz: bei genauerem Hinsehen entdeckte der australische Musikwissenschaftler Prof. Peter McCallum jedoch, dass es sich hier um ein Klavierstück handelt, und dass es kein Fragment, sondern ein in sich geschlossenes Werk ist. Ein kleines Klavierstück mit 32 Takten, ganz nach Art der „Bagatellen“- kleine Klavierstücke, die Beethoven gegen Ende seines Lebens komponierte und die bislang als seine letzten Werke für Klavier galten.
Der Tatsache, dass Beethoven seine letzten Jahre in völliger Taubheit verbrachte, verdankt die Musikforschung einen unvergleichlichen Einblick in sein Leben; sämtliche Gespräche wurden schriftlich geführt in sogenannten „Konversationsheften“, die auch flüchtige Gedanken, Ideen, Einkaufslisten, Termine usw. festhielten. Weiterhin benutzte Beethoven zwei Arten von musikalischen Skizzenbüchern: einerseits großformatige Bücher für ausführliche Entwürfe seiner Kompositionen, andererseits kleine Taschenbücher, die er immer mit sich führte und in denen er stets alle musikalischen Einfälle sofort festhielt. Durch diese Fülle von Dokumenten ist es möglich, sämtliche Skizzen sehr präzise zu datieren. Und die Tatsache, dass die Musikwissenschaft seit über 150 Jahren akribisch und systematisch in dieser Fülle von Quellen geforscht hat, macht die Entdeckung dieses kleinen Klavierstücks in f-moll zu einer Sensation.
182 Jahre nach Beethovens Tod tauchte es wieder auf, und schon kurze Zeit später liegt nun die kritische Erstausgabe vor, die der junge Musikverlag Inter-Note in Zusammenarbeit mit Prof. McCallum auf den Markt bringt. Eine solche Entdeckung gilt in der Fachwelt als ein besonderes Ereignis. Am 1. April 2009 wurde es auf der Frankfurter Musikmesse konzertant vorgestellt.
Auf der Website des Verlages Inter-Note ist das gesamte Heft als Vorschau zu betrachten.