Beethoven Studien im Generalbass, Contrapunkt und der Composition – Neue Ausgabe von Louis Köhler
Zweiter Abschnitt. Theorie der Composition: Dreizehntes Capitel – Vierte Gattung des vierstimmigen, strengen, einfachen Contrapunktes
Die Regel: dass die Harmonie zu den Bindungen beständig aus drei Schlagen bestehen soll,kann richt immer so genau beobachtet werden. Es muss manchmal ein ganzer Schlag in zwei halbe getheüt Werden, wie sich jetzt zeigen wird. Die Bindungen im vierstimmigen Satze verlangen die nämlichen Accordanzen, welche sie ersten, wenn mail die Ligaturen aufhebt. Somit bleiben also die Begleitungs-Intervalle eben dieselben, die contrapunktirte Note mag gebunden oder ungebunden sein:
Jedoch in mehreren Fällen betrügt diese Regele da man gezwungen ist, zu den Bindungen mit drei ganzen Schlägen einen ganzen Takt zu setzen, so kann solches nicht geschehen in jenen Sätzen, woselbst die gebundene Sept mit der Quinte verknüpft ist, weil mit selbiger durch die Auflösung der Ligatur eine verbotene Dissonanz entstünde. Man muss demnach auch die Ausfüllungsnote in zwei Hälften zertheilen; nämlich:
Die eingeschobene Note der Mittelstimme kommt hier gar nicht in Betrachtung, und vertritt die Stelle einer unvollkommenen Consonanz. Daher ist diese Fortschreitung eben so anzusehen, als wenn man von einer vollkommenen Consonanz zu einer unvollkommenen in motu recto sich bewegt.
In diesem Beispiele kommen beim NB. absichtlich zwei reine Qinten: vor, weil dieses Intervall zum perfecten Accord und zur vollständigen Harmonie desselben doch unumgänglich nothwendig gehört.
Bei dem ersten NB. ist die Secunde verdoppelt, und die zur vollkommenen Harmonie 4 erforderliche Sexte mangelt. Das zweite NB. deutet auf die verdoppelte Quarte, wo doch der Regel nach eher die Secunde als die Quarte dupplirt werden sollte. Alles kömmt auf die vollständige Harmonie an; da nun dieselbe aus der Terz, Quinte und Octave besteht, oben aber anstatt der Octave die Quinte verdoppelt wurde, so ist klar, dass dieser Accord nicht alle seine Intervalle hat. Dergleichen Mängel muss man der Strenge dieser Gattung zu Gute halten; aber dem Schüler schafft diese Uebung grossen Nutzen, indem sie ihm nicht nur die mannigfaltigen Arten der Zusammensetzungen lehrt, sondern zugleich auch bestimmte Grenzen anweist, wie weit und in welchen Fällen eine Abweichung von den strengen Gesetzen nicht nur Glaubt, sondern vielmehr unausweichlich durch die eiserne Nothwendigkrft bedingt wird.