Gustav Nottebohm – Zweite Beethoveniana – XLVI – Zwei Skizzenbücher aus den Jahren 1798 und 1799 (Seite 476)
Nachgelassene Aufsätze von Gustav Nottebohm Leipzig, Verlag von J. Rieter Biedermann 1887
XLVI.
Zwei Skizzenbücher aus den Jahren 1798 und 1799.
Vor Kurzem sind zwei Skizzenbücher zugänglich geworden, welche besonders für die Geschichte der Quartette Op. 18 von Wichtigkeit sind und welche geeignet sind, die bisherigen Mittheilungen über jenes Quartettwerk zu vervollständigen und zum Theil zu berichtigen. Beide Skizzenbücher gehören zu¬sammen. Die im ersten Buche abgebrochene Arbeit ist im andern fortgesetzt worden. Dies der Grund, warum sie hier zusammengestellt werden.
Das erste Skizzenbuch war früher im Besitz F. A. Grasnick’s in Berlin. Es ist in Querformat, hat einen alten Ein¬band, einen bunten Umschlag, ist (vielleicht mit Ausnahme eines Blattes, welches herausgenommen sein kann) so be¬schaffen, wie es von Beethoven zurückgelegt wurde, besteht aus 39 Blättern und hat auf jeder Seite 16 Notenzeilen.
Das Buch beginnt mit nicht benutzten Entwürfen. Dann folgen (S. 1 bis 58) Arbeiten zu allen Sätzen des Quartetts in D-dur Op. 18 Nr. 3. Aus der Beschaffenheit der Skizzen ist zu ersehen, dass die Arbeit zu den drei ersten Sätzen des Quartetts früher an einem andern Orte begonnen und schon sehr vorgeschritten war, als Beethoven das vorliegende Skizzenbuch in Angriff nahm. Diese Skizze (S. 3)
zeigt die Fassung eines früher für den letzten Satz bestimmten Anfangsthemas. Alle Sätze des Quartetts erreichen im Wesent¬lichen, abgesehen von nachträglich vorgenommenen Aenderungen im Skizzenbuche ihre endgiltige Form.
Zwischen den Arbeiten zum Quartett in D-dur findet sieh, ausser vielen nicht benutzten Entwürfen, eine Anzahl von Auf¬zeichnungen, welche zum Theil von Interesse sind. Aus der Ueberschrift eines nicht benutzten Entwurfes zu einem Quar¬tett (S. 9) ist zu entnehmen, dass, als am Quartett in D-dur gearbeitet wurde, ein »zweites« Quartett noch nicht geschrieben war; und hieraus ist zu folgern, dass von den seehs Quartetten Op. 18 das dritte der Entstehung nach das erste ist
Bald darauf (S. 11) erscheint ein Entwurf zu Chr. F. Weisse’s Lied “Der Kuss”.
Der Entwurf beweist, dass das unter der Opuszahl 121 (jetzt Op. 128) erschienene Lied eine frühe Composition ist, die im Jahre 1822 nur etwas umgearbeitet wurde. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Skizze und Druck zeigt sich in der Sing¬stimme nur in den ersten zwei Takten*)
Dem vorigen Entwurf folgt (S. 12, 13) einer zu Matthisson’s »Opferlied«. Entwürfe zum nämlichen Liede kommen auch früher und später in andern Skizzenbüchern vor.
Später (S. 23) begegnen uns Entwürfe zum Rondo für Clavier in G-dur, Op. 5l Nr. 2, In ihrer ursprünglichen Fassung hatte die Melodie
noch nicht das graciose Wesen, welches sie im Druck hat. Spätere Skizzen decken sich mit dem Druck.
*) In einem angeblich im Jahre 1816 aufgesetzten Verzeichniss von Compositionen Beethoven’s (siehe: Thayer’s “Beethovens Leben” III. 487) ist angeführt: »Bei Chloe war ich ganz allein, von Gleim.« Damit muss das oben skizzirte Lied gemeint sein. Das letzte Wort jener Notiz beruht wohl auf einem Schreibfehler. Gleim hat, so viel wir wissen, kein Lied gedichtet, dessen Text mit den obigen Worten anfinge.
Dann erscheinen (S. 25) einige Worte
aus Schiller’s Hymne an die Freude, ferner ein vollständiger Entwurf (D-moll, 3/4) zu Gellert’s Lied »Meine Lebenszeit ver¬streicht«, welcher jedoch eine Beziehung auf das gedruckte Lied (Op. 48 Nr. 3) nicht zulläst,*) und (S. 34) ein Entwurf
zu einem für die Sonate Op. 10 Nr. 1 bestimmten Intermezzo. )
Dann kommen (S. 37 bis 42) Arbeiten zum ersten und zweiten Satz des Clavierconcertes in B-dnr Op. 19. Was das Skizzenbuch da bringt, sind aber nicht eigentliche erste Ent¬würfe, denn das Concert (in seiner uns unbekannten ursprünglichen Gestalt) war längst fertig, sondern gilt einer Umarbeitung. Dies geht aus einigen Bemerkungen hervor, welche zwischen den auf den ersten Satz zu beziehenden Skizzen vorkommen und welche lauten: »bleibt wie es war« — »von hier an bleibt alles wie es war« — »etc. bleibt«. Worauf aber die Um¬arbeitung gerichtet war, ist in Bezug auf den ersten Satz aus den Skizzen nicht zu ersehen und lässt sich mit Sicherheit nicht sagen. Die Skizzen zu diesem Satz betreffen sowohl Tutti- als Solostellen, sind meistens lang und erreichen schliess¬lich die endgiltige Form. Jedenfalls war die Umarbeitung eine durchgreifende. Will man einer Vermuthung Raum geben, so lautete das Hauptthema des Satzes ursprünglich anders, als jetzt, und hat dessen Aenderung die Aenderung eines grossen Theiles des Satzes nöthig gemacht. Diese Vermuthung gründet sich darauf, dass nach einer anderwärts befindlichen , früher geschriebenen Skizze das Anfangsmotiv so.
also anders lautete als jetzt. Noch jetzt sind einige Stellen in der Partitur zu finden (man sehe den 17. Takt vor Schluss des Satzes u, s. w.), welche das Motiv in der Fassung jener Skizze bringen und welche vielleicht mit Absicht nicht ge¬ändert worden sind. In zweiter Linie lässt sich auch die gedruckte Cadenz zum ersten Satze des Concertes in Betracht ziehen, nach welcher, wenn sie zur ersten Bearbeitung gehörte, das Motiv ebenfalls anders als in der gedruckten Partitur ge-lautet haben muss. Mit mehr Sicherheit lässt sich angeben worauf es beim zweiten Satz abgesehen war. Diese Arbeit gilt beinahe ausschliesslich dem jetzigen 61. bis 68. Takt des Satzes. Diese Stelle, welche schon an sich wie eine Art ein¬gelegter Cadenz erscheint, muss in der früheren Fassung ent¬weder viel kürzer oder gar nicht dagewesen sein, so dass bald oder gleich nach dem jetzigen 60. Takt in das Takt 69 eintretende Tutti eingelenkt wurde. Zuletzt (S. 42) schreibt Beethoven in ungefähr 20 Takten den Anfang einer (nicht bekannten) Cadenz, zum ersten Satz hin, und dann kommt noch eine Stelle von 6 Takten (Takt 207 bis 212) aus dem letzten Satz des Concertes. Das Vorkommen jener angefangenen Cadenz macht es wahrscheinlich, dass dieselbe und mit ihr die ganze Arbeit durch eine in Aussicht stehende Aufführung veranlasst wurde.
Nach den Arbeiten zum Concert erscheinen (S. 42)
einige zur Composition vorgenommene Worte aus Goethe’s Gedicht “Neue Liebe neues Leben” und Entwürfe zu Liedern mit englischem und französischem Text. Jene Skizze zu Goethe’s Worten lässt keine Beziehung auf die gedruckte Composition (Op. 75 Nr. 2) zu.
Nach allen bisher erwähnten Arbeiten erscheinen (S. 59 bis 72) Entwürfe zu den Variationen für Clavier über Salieri’s Thema “La stessa, la stessissima”*) und dann (S. 73 bis 78) Entwürfe zum ersten und zweiten Satz des Quartettes in F-dur Op. 18 Nr. 1. Von den Quartettskizzen nehmen die zum ersten Satz bei Weitem den meisten Raum ein. Das Hauptthema des Satzes musste manche Wandlung durchmachen, ehe es seine endgiltige Form fand. Man sehe hier (S. 73).
*} Salieri’s Oper »Falstaff«. in der das Thema verkommt, wurde zum ersten Mal aufgeführt in Wien am 3. Januar 1799. und Beethoven’s Variationen über das Thema wurden als erschienen angezeigt am 2. März 1799. Diese Daten geben einen sicheren Anhaltspunkt, um die Zeit zu bestimmen t welcher die Skizzen zu den Variationen und die ihnen vorhergehenden und folgenden Arbeiten angehören.
dann hier,
dann hier,
dann hier (S. 74),
dann hier,
dann hier, dann hier,
dann gleich darauf hier,
dann diesen Anfang einer etwas längeren Skizze (S. 75)
und zuletzt hier (S. 76) diesen Anfang einer längeren Skizze.
Das Thema des Mittelsatzes erscheint (S. 77) einmal in dieser Form:
Die letzte Skizze des Skizzenbuches betrifft die »Coda« des ersten Satzes, stimmt aber nur zum Theil mit der ge¬druckten Fassung überein. Sie bringt aber mit andern Skizzen den Beweis, dass, als das Skizzenbuch zurückgelegt wurde, die Arbeit zum ersten Satz ziemlich vorgerückt war.
Dagegen ist die Arbeit zum Adagio wenig vorgerückt. Die vorkommenden Skizzen, in D-moll und im 9/8-Takt ge¬schrieben, lassen kein festes Thema und kaum mehr als die in den Druck übergegangene Begleitungsfigur in Achtelnoten erkennen.
Zwischen den Skizzen zu den beiden Sätzen des Quartettes in F-dur stehen (S. 74 und S. 77) zwei liegengebliebene Entwürfe, die mit ihren Ueberschriften beweisen, dass, als das Quartett in F-dur angefangen war, von dem der Entstehung nach dritten Quartett noch keine Note geschrieben war. Das Quartett Op. 18 Nr. 1 ist also der Ent¬stehung nach das zweite.*)
Wir nehmen nun das andere Skizzenbuch vor. Dasselbe war ebenfalls im Besitz F. A. Grasnick’s in Berlin. Der frühere Besitzer war Aloys Fuchs in Wien, der es, wie von seiner Hand auf einem vorne eingebundenen Blatte angegeben ist, »in der Verlassenschafts – Lizitation Beethoven’s am 5. No¬vember 1827« gekauft hatte**) Das Skizzenbuch ist in Quer¬format, hat einen neuen Einband, besteht aus 42 Blättern, von denen jedoch das letzte und vielleicht auch das vorletzte nicht dazu gehören, und hat (von S. 1 bis 82) auf jeder Seite 16 Notenzeilen. An einigen Stellen sind Blätter herausge¬nommen. Zwischen Seite 30 und 31 und zwischen S. 58 und 59 sind je 2 Blätter und zwischen S. 62 und 63 ist 1 Blatt herausgenommen. Abgesehen von diesen Lücken und jenen von der Betrachtung auszuschliessenden Blättern kann man mit Sicherheit dem Gange des Skizzenbuches folgen.
*) Vgl. den Artikel XXVII, 2. Anmerk. — Ferd. Ries sagt (Biogr. Not. S. 103): »Von seinen Violin-Quartetten, Opus 18. hat er das dritte in D-dur von allen Quartetten zuerst componirt; das jetzt voranstehende in F-dur war ursprünglich das dritte.« Ries’ erste Angabe bestätigt, sich, die andere nicht.
**) A. Fuchs giebt im Stuttgarter Beethoven-Album (S. 123) eine kurze, nicht ganz richtige Beschreibung des Skizzenbuches. Noch un¬richtiger ist eine angeblich auf einer Aufzeichnung 0. Jahn’s beruhende kurze Darlegung in ThayerJs »Beethovens Leben«, Bd, 2, S. 115, So kommen z, B. Skizzen zu den Variationen Op. 44, welche nach dieser Darlegung im Skizzenbiiche vorkommen sollen, nicht darin vor.
Das Skizzenbuch beginnt (S. 1 bis 11) mit der im vorigen
.Skizzenbuch abgebrochenen Arbeit zum ersten Satz des Quartettes in F-dur Op.. I8 Nr. 1. Die erste Skizze, die im Buche vorkommt, ist ziemlich lang und beginnt so:
Inmitten der Arbeiten zum ersten Satz erscheinen Ent¬würfe zu den andern Sätzen des Quartettes. Aus diesen Ent¬würfen, die sieh lange (bis S. 44) fortziehen, sind einige aus¬zuwählen. Eine nicht benutzte Skizze zum Schluss des Adagios (S. 9) ist wegen ihrer Ueberschrift merkwürdig, Letztere ist ge¬eignet, die auf einer Erzählung Amenda’s beruhende Mit¬theilung, Beethoven habe bei der Composition des Adagios die Grabesscene aus Romeo und Julie vorgeschwebt, zu unter¬stützen. Der dritte Satz sollte anfangs (S. 10) so beginnen. Das Hauptmotiv des letzten Satzes hat anfangs (S. 4) und auch späterhin (S. 22), mit der gedruckten Fassung verglichen, etwas Eckiges in der Bewegung. Beide Skizzen unterscheiden sich vom Druck auch durch die angegebenen Tempi.
Zwischen diesen Quartettskizzen finden sich Aufzeichnungen zu andern Compositionen. Ein Entwurf (S. 26) beweist mit seiner Ueberschrift, dass das der Entstehung nach dritte Quartett auch jetzt noch nicht angefangen war. Später (S. 31) begegnen wir einem Ansatz zu Goethe’s »Wechsellied zum Tanze« und (S. 37 bis 42) Entwürfen zur Composition des Goethe’schen Liedes »Nähe des Geliebten«, von denen der erste (S. 37) so beginnt:
Beethoven hat alle vier Strophen des Gedichtes vorgenommen und giebt ihnen verschiedene Melodien. Die Strophen sind durch Zwischenspiele getrennt; die dritte Strophe tritt in G-dur ein u, s. w. Es sollte demnach ein durchcomponirtes Lied mit Clavierbegleitung werden. In einem später geschriebenen Ent¬würfe (S. 41), der ebenfalls einem durchcomponirten Liede mit Clavierbegleitung gilt, hat die der ersten Strophe des Gedichtes zugetheilte Melodie diejenige Fassung bekommen, in der sie Beethoven als Thema zu den vierhändigen Variationen in D-dur verwendet hat. Einem Theil dieses Variationen-werkes werden wir später begegnen.
Ausserdem erscheinen zwischen den Entwürfen zum Quartett in F-dur die ersten Entwürfe zum Quartett in G-dur Op. 18 Nr. 2. Dieses Quartett ist also der Entstehung nach das dritte. Die Arbeit dazu (S. 31 bis 63) zieht sich ziemlich lange fort. Wir heben einige Skizzen aus. Der erste Satz zeigt erst (S. 31) diesen,
später (S. 33) diesen Anfang.
Die Entwürfe zum zweiten Satz (S. 45 bis 63) sind alle im C-Takt geschrieben. Eine mit der im 3/4 Takt stehenden ge¬druckten Fassung übereinstimmende Skizze kommt nicht vor. Auch findet sich keine Skizze zu dem im 2/4 Takt stehenden Intermezzo. Letzteres muss also später entstanden sein. Dass aber die gedruckte Fassung des Hauptthemas aus der skizzirten hervorgegangen ist und auf einer allerdings durchgreifenden Umarbeitung beruht, zeigt ein Blick auf einige der zuerst vor¬kommenden Skizzen. Man sehe hier (S. 48)
und hier (S. 49).
Vergleicht man die letzte Skizze mit dem Anfang der gedruckten Melodie, so sieht man, dass die Noten rhythmisch geändert sind und dass bei dieser Aenderung die ursprünglich zweitaktige Gliederung der ersten Abschnitte des Anfangs¬themas in eine dreitaktige umgewandelt worden ist. Auch haben die Skizzen im Allgemeinen mit dem Druck das auf eine Variirung des Hauptthemas abzielende, aus Zweiunddreissigstel-Noten und andern kurzen Notengattungen bestehende Passagenwerk gemeinsam.
Der Anfang des dritten Satzes erscheint zuerst (S. 41) in dieser Gestalt.
der des letzten Satzes zuerst (S. 53) in dieser, später (S. 56) in dieser Gestalt.
Alle Skizzen zum letzten Satz sind im C-Takt geschrieben.
Während der Arbeit am G-dur-Quartett geschahen die ersten Striche zum Quartett in A-dur und entstanden die viel¬händigen Variationen in D-dur, zu deren Thema die früher erwähnte Melodie des Liedes “Nähe des Geliebten” gewählt ist. Vor dem Blatte, auf dem zuerst Skizzen zu den Variationen vorkommen (S. 59), sind einige Blätter, auf denen ohne Zweifel die ersten Entwürfe standen, herausgenommen, so dass sich über den Beginn dieser Arbeit nichts Näheres angeben lässt. Die Skizzen, die vorkommen, befassen sich nur mit der letzten Variation. Das vorhin erwähnte Quartett, in A-dur, Op. 18 Nr. 5, ist also in der chronologischen Reihenfolge der Quartette das vierte. Aus den dazu gehörenden Skizzen (S. 55 bis 74) lassen sich auswählen: eine der ersten Skizzen zum Anfang des ersten Satzes (S. 65),
eine Skizze zum Anfang des zweiten Satzes (S. 69) und ein Entwurf (S. 67),
der das Thema der Variationen in seiner ersten Gestalt zeigt. Der Entwurf hat eine schwer lesbare Ueberschrift. Man möchte “Pastorale” lesen. Bei Entwürfen zum letzten Satz
ist der C-, nirgends der 2/2-Takt vorgezeichnet.
Zwischen den zum Quartett in A-dur gehörenden Skizzen finden sich auch (S. 63 bis 80) Entwürfe zum zweiten, dritten und vierten Satz des Septetts Op. 20 und (S. 63) einige nachträglich geschriebene, zum Andante des Quartetts in D-dur gehörende Stellen. Vom Septett wird zuerst der vierte, dann der zweite und dann der dritte Satz vorgenommen.
In der ersten Skizze zum vierten Satz des Septetts (S. 63)
erscheint vom Thema nur der erste Theil, und gleich darauf wird mit Variirung desselben begonnen. Man darf daraus nicht den Schluss ziehen, dass es die ursprüngliche Intention Beethoven’s war, das Thema nur aus jenem ersten Theil be¬stehen zu lassen.*) Vom zweiten Satz ist (S. 79)
nicht viel mehr, als die Anfangsmelodie angegeben. Wenn man die erste Skizze zum dritten Satz (S. 70) sieht,
so kann man der Meinung werden, Beethoven habe demselben ursprünglich ein eigenes Thema geben wollen und er sei erst dann auf den Gedanken gekommen, das Thema des zweiten Satzes der Claviersonate Op. 49 Nr. 2 dazu zu verwenden. Beethoven schreibt dieses Thema, wie die obige Skizze zeigt, nur bis zum Ende des dritten Taktes und (in seinen Halbnoten zu Anfang des 1. und 2. Taktes u. s. w.) rhythmisch überein¬stimmend mit der Form hin, die es in jenem Sonatensatz hat. Wir sehen darin eine Bestätigung des durch andere Skizzen gelieferten Ergebnisses, dass das im Septett vorkommende Thema jenem Sonatensatze entlehnt wurde und dass nicht das Umgekehrte der Fall ist.*)
Die Entwürfe zu den Variationen des Septetts ziehen sich mit Unterbrechungen beinahe bis zu Ende des Skizzenbuches fort. Unterbrochen wird die Arbeit u. A. durch die bereits er¬wähnten drei letzten Sätze des Quartetts Op. 18 Nr. 5 und (S. 75 bis 79) durch die Variationen für Clavier über P. Winter’s Thema »Kind, willst du ruhig schlafen«. Ausserdem findet sich auf den ersten zwei Systemen zweier gegenüber liegender Seiten (S. 70 und 71) eine die Tonart Es-dur oder C-moll und den 3/4-Takt andeutende Vorzeichnung, und darüber stehen die Worte: “des Bagatelles par L. v. Beethoven”. Sonst sind die Seiten leer geblieben; Beethoven hat keine Note hinge¬schrieben. Die Seiten waren also zur Aufnahme von Bagatellen bestimmt. Unter den kleinen Stücken, die damals fertig sein konnten, findet sich nur eines, auf welches jene Vorzeichnung bezogen werden könnte. Dieses ist die ungedruckte Bagatelle in C-moll, welche gleichzeitig mit der Sonate in C-moll Op. 10 Nr. 1 entstand.**)
*) Vgl. »Beethovenina « S. 1.
**) Vgl. Artikel IV.
Aus dev Stellung, welche die Skizzen zu den Variationen über Winter’s Thema einnehmen, ergiebt sich, dass die Varia¬tionen geschrieben wurden, als das Quartett in A-dur in den Skizzen (d. h. dem Skizzenbuche nach) fertig, die Sätze des Septetts aber noch in Arbeit waren.*)
Wir sind am Ende. Zu erwähnen ist noch, dass in beiden Skizzenbüchern sehr viele nicht benutzte, meistens für Streich¬quartett, kleinerentheils für Clavier oder andere Instrumente gedachte Entwürfe vorkommen, von denen in unserer Dar¬legung nur die wichtigsten erwähnt sind.
Aus den in einigen Anmerkungen niedergelegten chrono¬logischen Ergebnissen ist zu folgern, dass alle Skizzen, welche von der 59. Seite des ersten Skizzenbuches bis zur 79. Seite des zweiten vorkommen, in der Zeit von frühestens Januar 1799 bis spätestens December 1799 geschrieben wurden. Das zweite Skizzenbuch gehört demnach ganz dem Jahre 1799 an, und beide Skizzenbücher zusammen genommen sind in die Zeit von ungefähr Mitte 1798 bis Ende 1799 zu setzen. Die in beiden Skizzenbüchern berührten Compositionen sind, mit Be-rücksichtigung des Umstandes, dass die kleineren eher fertig werden mussten, als die grösseren, der Reihe nach:
Lied: »Der Kuss«, Op. 128. Frühere Bearbeitung.
Opferlied, Vom Druck etwas abweichende Bearbeitung. Rondo für Clavier in G-dur, Op. 51 Nr. 2.
Gellert’s Lied: »Vom Tode«. D-moll. Nur aus der Skizze bekannt.
(Clavierconcert in B-dur, Op. 19. Umarbeitung.) Quartett in D-dur, Op. 18 Nr. 3.
Variationen für Clavier über das Thema »La stessa, la stessissima«.
Lied: »Nähe des Geliebten«. Vollständig nur aus den Skizzen bekannt
Quartett in F-dur, Op. 18 Nr. 1.
Vierhändige Variationen in D-dur.
Quartett in G-dur, Op. 18 Nr. 2. Mit Ausnahme des später umgearbeiteten zweiten Satzes.
Quartett in A-dur, Op. 18 Nr. 5.
Variationen für Clavier über das Thema »Kind, willst du ruhig schlafen«.
Zweiter, dritter und vierter Satz des Septetts Op. 20 Angefangene Arbeit.
Diese Compositionen gehören also alle der Entstehung nach der Zeit von ungefähr Mitte 1798 bis Ende 1799 an, und sind die in den letzten acht Zeilen angeführten mit Sicherheit ins Jahr 1799 zu setzen.
In Betreff der sechs Quartette Op. 18 ist festgestellt, welche vier zuerst und in welcher Reihenfolge sie componirt wurden, nämlich: Nr. 3, 1, 2, 5. Von dem Versuch, auch die Reihenfolge der noch übrigen zu bestimmen, stehen wir ab Skizzen dazu sind zwar vorhanden. Es würde aber schwer oder bedenklich sein, daraus ein chronologisches Ergebniss gewinnen zu wollen.
*) In dem in der vorigen Anmerkung erwähnten Verzeichniss ist auch angeführt: »Meine Lebenszeit verstreicht — G-moll. Damit kann die im Skizzenbuch vorkommende Bearbeitung gemeint sein und ist dann in jenem Verzeichniss in Betreff der Tonart ein Schreibfehler an¬zunehmen.
*) In A. Kretzschnier’s »Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Weisen«, Berlin 1838 (S. 181), steht die an einigen Stellen abweichende Melodie des Variationen-Themas mit der Bezeichnung: »Niederrheinisches Volkslied« und mit der Bemerkung: »Von Beethoven in seinem Septett zu Variationen benutzt.« Die Melodie soll also nicht von Beethoven componirt sein. Worauf sich die Angabe gründet, ist nicht gesagt. Das Skizzenbuch widerspricht ihr nicht. Dennoch muss ihre Richtigkeit bezweifelt werden: erstenst weil der Anfang des zweiten Theils der Melodie mit seinen gleichstufigen Noten einer Volksweise nicht gemäss ist; zweitens, weil die Richtigkeit der Angabe durch nichts bewiesen und von keiner Seite bestätigt wird, weil z. B. Ries und Wegeler als Rheinländer etwas davon gewusst haben müssten und ein Wort darüber gesagt haben würden.
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