Gustav Nottebohm – Beethoveniana – XX – Die Ouverture Op. 138. (Seite 60)

Aufsätze und Mittheilungen von Gustav Nottebohm
Leipzig, Verlag von C. F. Peters 1872

Es wird angenommen, dass die Ouverture zu »Leonore« in C-dur, welche die Opuszahl 138 bekommen hat, im Jahre 1805 geschrieben und von den Leonore-Ouverturen der Reihenfolge der Entstehung nach die erste sei. Sehen wir zu, worauf sich diese Annahme gründet.
Eine autographe Partitur der Ouverture ist nicht vorhanden. Vorhanden sind eine alte Partitur-Abschrift und einzelne geschriebene Orchester-Stimmen. Partitur und Stimmen sind von Beethoven durchgesehen und corrigirt worden. Eine Zeit der Composition ist nirgends angegeben. Die erste Violin-Stimme war vom Copisten überschieben:
Ouvertura
Violino I mo.
Später hat Beethoven einige Wörter (in C Charakteristische Overture) hinzugefügt, so dass die Ueberschrift jetzt lautet:
Ouvertura in C
Charakteristische
Overture
Violino 1mo.

Partitur und Stimmen wurden bei der Versteigerung des musikalischen Nachlasses Beethoven’s im November 1827 von Tobias Haslinger gekauft und sind gegenwärtig im Besitz der Kunsthandlung Carl Haslinger qm. Tobias in Wien. Der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom Jahre 1828 wird (S. 111) über den Ankauf berichtet, dass Tobias Haslinger unter andern für einen Spottpreis ein Päkchen Tänze,  Märsche u. dgl. « erstand und darin fand » die Partitur nebst ausgezogenen Orchesterstimmen einer ganz unbekannten, grossen charakteristischen Ouverture, welche der Meister, wie sich Schuppanzigh erinnert, wohl vor einigen Jahren probiren liess, was auch die eigenhändig mit Rothstift verbesserten Schreibfehler bezeugen. Der glückliche Finder wird davon Auflagen in 10 verschiedenen Arrangements veranstalten«. Zu Anfang des Jahres 1828 zeigt Tobias Haslinger (in der Münchener Musikzeitung vom Jahre 1827—1828) das bevorstehende Erscheinen des Werkes unter dem Titel an: »Grosse charakteristische Ouverture, 138. Werk«. Dieser Titel stimmt im Wesentlichen überein mit der Aufschrift, welche Beethoven der erwähnten Violin-Stimme gegeben hat. Die Ouvertüre erschien aber, wie wir sehen werden, unter einem anderen Titel.

Die Ouverture wurde nach ihrer Auffindung zum ersten Mal aufgeführt in einem von Bernhard Romberg am 7. Februar 1828 in Wien gegebenen Concerte. Die Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung vom Jahre 1828 berichtet (Seite 225) u. a. über das Concert: »Grosses Interesse erregte Beethoven’s letzte Ouverture, welche die Haslinger’sche Handlung aus der Verlassenschaft im Manuscripte an sich brachte« u. s. w. Ungefähr dasselbe sagt die Wiener »Theater-Zeitung« vom Jahre 1828, Seite 68 und 82. »Der Sammler« vom 28. Februar 1828 berichtet u. a.: »In dem Concerte wurde eine Ouverture aus Beethoven’s Nachlass gegeben; ein Werk, das in der früheren Periode des verewigten Meisters geschaffen sein mag, wie aus dem ruhigeren Gange zu erhellen scheint — « u. s. w. Ein zweites Mal wurde die Ouverture aufgeführt in Wien am 13. März 1828 in einem Concert spirituel. Auf dem Programm stand: »Grosse charakteristische Ouverture von Beethoven (Manuscript)«. Berichte, die aber nichts Näheres sagen, findet man in der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom Jahre 1828, S. 296; in der Berliner Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom Jahre 1828, S. 215; in der Wiener Theater-Zeitung vom Jahre 1828, S. 151 u. a. a. O.

Aus allen diesen Mittheilungen und Daten geht hervor, dass man bis zum März 1828 nicht wusste, wann die aufgefundene Ouverture geschrieben wurde. Es fehlt auch jede Andeutung, aus der sich entnehmen liesse, dass man in ihr eine Leonore-Ouverture erkannt habe.

Nun erschien das Werk im Jahre 1832 bei Tob. Haslinger unter dem Titel: »Ouverture in C, componirt im Jahr 1805 zur Oper Leonore « u. s. w. Ferner bezeichnet A. Schindler in der im Jahre 1840 erschienenen ersten Ausgabe seiner » Biographie von L. v. Beethoven« (S. 58) die Ouverture als die erste von den vier Leonore-Ouverturen und bemerkt, sie sei früher geschrieben als die sogenannte zweite Ouverture, mit welcher die Oper zuerst (im Jahre 1805) in Scene ging. Auf diese Angaben, welche darin übereinstimmen, dass die Ouverture im Jahre 1805 componirt worden, lassen sich alle späteren Angaben und die eingangs erwähnte Annahme zurückfuhren. Es lässt sich aber nun diesen Angaben ein Ergebniss entgegenstellen, welches aus der Betrachtung eines Skizzenblattes und einer grösseren Skizzensammlung hervorgehen wird.
Auf der ersten Seite eines Skizzenblattes 1*) kommen folgende sechs, zum zweiten und dritten Satz der Symphonie in C-moll gehörende Stellen vor:

Auf den obersten Zeilen der Rückseite desselben Blattes steht rechts ein auf den Uebergang zum Finale der Symphonie zu beziehendes Bruchstück, welches so lautet:

und weiter unten erscheinen folgende, zur Ouvertüre Op. 138 gehörende Entwürfe:

Wir nehmen nun eine grössere, aus vier zusammengehörenden Bogen bestehende und 16 Seiten umfassende Skizzensammlung vor 2*). Auf der ersten Seite erscheinen unter anderen folgende zur Symphonie in C-moll gehörende Stellen:

Auf der zweiten Seite beginnt eine 12 Seite fortlaufende Arbeit zur Ouverture Op. 138, welcher wir folgende, auf den Anfang und auf die Hauptthemata zu beziehende Stellen entnehmen :

Nach den Arbeiten zur Ouverture erscheint ein zum ersten Satz der Sonate für Pianoforte und Violoncell Op. 69 gehörender Entwurf, welcher beginnt wie folgt:

Nach den Arbeiten zur Ouverture erscheint ein zum ersten Satz der Sonate für Pianoforte und Violoncell Op. 69 gehörender Entwurf, welcher beginnt wie folgt: (variante mit “Oder”)

Aus der Stellung und Beschaffenheit der erwähnten und mitgetheilten Skizzen geht hervor, dass die Ouverture Op. 138 begonnen wurde, als die Symphonie in C-moll ihrem Abschluss ziemlich nahe war, und dass sie im Entwurf fertig da stand, als die Sonate Op. 69 noch im Entstehen begriffen war.
Man würde die Zeit, in welcher die Ouverture begonnen wurde, annähernd bestimmen können, wenn man wüsste, wann die Symphonie beendigt wurde oder ihrem Abschluss nahe war. Davon ist man jedoch nicht genau unterrichtet. Auf dem Original-Manuscript der Symphonie ist die Zeit der Composition nicht angegeben. Schindler sagt S. 69 der ersten Ausgabe seiner Biographie, die vierte, fünfte und sechste Symphonie seien in den Jahren 1806, 1807 und 1808 geschrieben; Seite 153 des ersten Bandes der dritten Ausgabe sagt er, die C-moll-Symphonie sei in Heiligenstadt geschrieben, wo Beethoven im Jahre 1808 wohnte. Wir können uns aber auf Schindler’s Angaben nicht immer verlassen. Thayer (Chronol. Verz. S. 74) nimmt, übereinstimmend mit der letzten Angabe Schindler’s, 1808 als das Jahr der Composition an, macht aber ein Fragezeichen dazu. In dem am 20. April 1807 mit M. Clementi abgeschlossenen Verlagsvertrag 3*) ist die Symphonie nicht angeführt, was zu der Vermuthung berechtigt, dass sie damals noch nicht fertig war. Aufgeführt wurde sie zum ersten Mal am 22. December 1808. Das ist das erste Datum, welches einen sicheren Anhaltspunkt bietet und, wenigstens nach einer Seite hin, die Zeit der Composition abgrenzt. Aber auch nach der anderen Seite hin lässt sich die Zeit der Composition abgrenzen. Ganz gewiss wurde die fünfte Symphonie später componirt, als die vierte. Nun wurde die vierte Symphonie, nach Angabe des Original-Manuscripts, im Jahre I806 componirt; folglich kann die fünfte Symphonie und mit ihr die Ouverture Op. 138 nicht vor 1806 geschrieben sein 4*). Es steht also fest, dass die Ouverture Op. 138 nur in den Jahren 1806 bis 1808 entstanden sein kann. Will man nun noch das Datum des mit Clementi abgeschlossenen Vertrags berücksichtigen, und lässt man die darauf gebaute Vermuthung gelten, so kann man sagen: die Symphonie in C-moll und die Ouvertüre Op. 138 wurden componirt in der Zeit zwischen April 107 und December 1808.
Die Sonate Op. 69 kann weniger einen Anhaltspunkt bieten, weil sie später geschrieben wurde, als die Ouverture. Sie erschien im April 1809, war aber (aus Gründen, deren Anführung hier zu weitläufig sein würde) wahrscheinlich schon im Januar 1808 fertig. Diese Daten stehen mit den vorhin angegebenen nicht im Widerspruch.
Das aus den Skizzen gewonnene Ergebniss wird nun durch folgende Mittheilungen bestätigt und genauer bestimmt. Das in Weimar erschienene »Journal des Luxus und der Moden« bringt im Januarheft vom Jahre 1808 einen Auszug aus einem Briefe aus Wien, in welchem es u. a. heisst: »Mit dem grössten Vergnügen gebe ich Ihnen die Nachricht, dass unser Beethoven so eben eine Messe vollendet hat, welche am Feste Mariä bei dem Fürsten Esterhazy aufgeführt werden soll. Beethoven’s Oper Fidelio, welche trotz aller Widerrede ausserordentliche Schönheiten enthält, soll nächstens in Prag mit einer neuen Ouverture aufgeführt werden. Die Symphonie von ihm ist im Stiche« u. s. w. Die erwähnte Messe ist die in C-dur Op. 86, welche zum ersten Mal in Eisenstadt, dem Wohnsitz des Fürsten Esterhazy, am 13. September 1807, dem Namensfest Mariä, aufgeführt wurde. Aus diesem Datum ergiebt sich, dass der Wiener Brief im August oder anfangs September 1807 geschrieben wurde. Dass unter der für die Prager Bühne bestimmten neuen Ouverture zum »Fidelio« keine andere, als die mit der Opuszahl 138 versehene, gemeint sein kann, geht aus Folgendem hervor.  J. R. v. Seyfried sagt Seite 9 im Anhang seines Buches »L. van Beethoven’s Studien«, nachdem er von dem Erfolge des im Jahre 1806 wieder aufgeführten Fidelio gesprochen, u. a.: »Für die Prager Bühne entwarf Beethoven eine neue, minder schwierige Ouverture, welche Haslinger in der Auction erstand und wahrscheinlich bald der Publizität überliefern wird«. Der Verleger Haslinger macht hierzu die Anmerkung: »Diese Ouverture ist bereits in Partitur und Orchesterstimmen gestochen und wird nebst andern Arrangirungen hiervon noch im Laufe dieses Jahrs (1832) erscheinen«.
Das Verhältniss ist nun klar. Beethoven schrieb für die in Prag zu Anfang Mai 1807 eröffnete deutsche Oper 5*), wo Fidelio (oder Leonore) aufgeführt werden sollte, statt der grossen und schwer auszuführenden Ouverture, mit welcher die Oper im Jahre 1806 in Wien gegeben worden war, eine andere, kürzere und leichtere Ouverture. Und diese Ouverture, ist die mit der Opuszahl 138 erschienene. Sie wurde im Jahre 1807 componirt, ist also der Reihenfolge nach nicht die erste, sondern die dritte von den Leonore-Ouverturen; die bisherige oder sogenannte zweite vom Jahre 1805 ist die erste, und die sogenannte dritte vom Jahre 1806 ist die zweite. Die vierte (in E-dur) vom Jahre 1814 bleibt an ihrer Stelle, wäre aber, was sich später zeigen wird, beinahe zur fünften geworden 6*).
Unerklärlich bleibt es, wie Tob. Haslinger, dem doch Seyfried’s Mittheilung bekannt war, dazu kommen konnte, auf dem Titel seiner Ausgabe das Jahr 1805 als die Zeit der Composition anzugeben. Man kann darüber nur eine Ver-muthung haben. In dem bei T. Haslinger in Wien erschienenen »Allgemeinen Musikalischen Anzeiger« vom 17. März 1831 heisst es: »Am 10. d. M. wurde im dritten Concert Spirituel Beethoven’s lange nicht gehörte Ouverture zur Oper Leonore (später Fidelio benannt) aufgeführt. Bekanntlich hat Beethoven diese Ouverture später selbst mit einer neuen vertauscht, weil sie für den dramatischen Effect zu lang und für ein gewöhnliches Orchester zu schwer ist«. Die Wiener Theaterzeitung vom Jahre 1831 berichtet (S. 135) über dasselbe Concert und lobt bei der Ouverture die Ausführung des letzten “Presto”, ein Satz, der wohl schwerlich den Violinen oft so gelingen möchte« u. s. w. Der »Allgemeine Musikalische Anzeiger« vom 21. April 1831 berichtet: »Dem Vernehmen nach wird im Hofoperntheater bei den künftigen Aufführungen des Fidelio mit den beiden von dem Tondichter zu dieser Oper geschriebenen Ouverturen abgewechselt werden«. Ferner berichtet dasselbe Blatt vom 12. April 1832: »Bei Gelegenheit, als die Oper Fidelio zum Benefice der Mad. Fischer-Achten auf dem Hofoperntheater wieder aufgeführt wurde, wählte man dazu die erste ursprünglich zu dieser Oper von dem Tonsetzer componirte, aber später von demselben ihrer grossen Schvvierigkeiten wegen wieder bei Seite gelegte Ouverture«. Aus diesen Berichten geht hervor, dass in Wien zur Zeit, als die Ouverture Op. 138 veröffentlicht werden sollte, nur zwei Leonore-Ouverturen bekannt waren; diese waren: die (eigentliche) zweite (in den Drucken mit Nr. 3 bezeichnete) aus dem Jahre 1806, und die vierte in E-dur aus dem Jahre 1814. Nun konnte es nicht unbekannt sein, dass Beethoven mehr als zwei Leonore-Ouverturen geschrieben hatte, und dass bei der Aufführung der Oper im Jahre 1805 eine andere Ouverture gespielt worden war, als im Jahre 1806. Von der wirklichen ersten, dem Jahre 1805 angehörenden Ouverture hatte man jedoch keine nähere Kenntniss; denn diese wurde erst in Folge der Aufführungen im Leipziger Gewandhause im Jahre 1840 bekannt 7*) und im Jahre 1842 als die zweite veröffentlicht. Da nun das blosse Vorkommen einer Stelle aus Florestan’s Arie‘ in der aufgefundenen und mit Op. 138 bezeichneten Ouverture keinen Zweifel übrig lassen konnte, dass sie eine von den Leonore-Ouverturen sei: so konnte man leicht zu der Meinung verleitet werden, man habe in eben dieser aufgefundenen Ouverture die erste vom Jahre 1805 vor sich. Auf diese Weise mag die Entstehung des Beisatzes »componirt im Jahre 1805 zur Oper “Leonore” auf dem Titel der Haslinger’schen Ausgabe zu erklären sein. Schindler, der von dem Vorhandensein dieser Ouverture keine Kenntniss hatte, hat dann das von Haslinger angesetzte Datum als richtig hingenommen, und unseres Wissens zuerst (in der ersten Ausgabe seiner Biographie) die vier Ouverturen in die bisher angenommene chronologische Ordnung gebracht. Es ist aber nun zu bemerken, dass Haslinger und Schindler ihre Angaben in Betreff der Compositionszeit der Ouverture nicht begründet haben. Es ist auch nicht gelungen, die Quellen, aus denen sie geschöpft haben können, ausfindig zu machen, oder irgend eine Mittheilung zu finden, welche einigermassen für die Richtigkeit ihrer Angaben einstände. Wir haben in ihren Angaben ein Datum vor uns, welches weder begründet, noch zu begründen ist. Solche Angaben kann man nur auf sich beruhen lassen.
Was Schindler weiter erzählt, klingt geradezu unglaublich. Er sagt nämlich (Biogr., 3. Ausg., I, 127) über die Ouverture Op. 138: »Kaum beendigt hatte der Componist selber kein rechtes Vertrauen in diese Arbeit.  Gleiches meinten seine Freunde. Man veranstaltete demnach bei Fürst Lichnowsky eine Probe davon mit kleinem Orchester. Da ward sie ihrem Gesammtinhalte nach für nicht entsprechend befunden dem Werke als Einleitung vorauszugehen. Idee, Styl und Charakter wollten dem darüber zu Gericht sitzenden Areopag nicht, gefallen. Sie ward also beseitigt«. Da kann man doch fragen: wer hatte den musikalischen Gerichtshof eingesetzt, dem sich Beethoven zu fügen hatte? Und wer hat je gehört, dass er sich einem gefügt hätte? Das Wahre an der Geschichte kann höchstens sein, dass die Ouverture bei Fürst Lichnowsky probirt wurde, und dass Beethoven selbst Schwächen in dem Werke fand und an Aenderungen dachte. Diese Ansicht verträgt sich mit einigen Erscheinungen, die jetzt noch vorzulegen sind.
Als Beethoven i. J. 1814 seine Oper einer dritten Bearbeitung unterzog, sollte die Ouverture aus dem Jahre 1807 von Grund aus umgearbeitet werden. Ihre Hauptthemata sollten beibehalten, das Ganze in eine andere Tonart E-dur gesetzt werden u. s. w. Dass die Ouverture auch in dieser Umarbeitung für den »Fidelio« bestimmt war, kann nicht bezweifelt werden. In den auf diese Arbeit bezüglichen Skizzen kommen die Hauptmotive der Ouverture untermischt mit Stellen aus der Arie Florestan’s zu Anfang des zweiten Acts vor. Auf einem losen Bogen finden sich folgende Stellen:

Beethoven hat den Entwurf nicht ausgeführt. Er schrieb statt dessen die bekannte Ouverture in E-dur. Hätte er den Entwurf ausgeführt, so hätten wir vielleicht fünf Leonore-Ouverturen; wir würden dann die (wirkliche dritte Ouverture vom Jahre 1807 ungefähr eben so als den Vorläufer der unterdruckten) vierten ansehen, wie wir gegenwärtig die wirkliebe erste als den Vorläufer der zweiten Ouverture ansehen.    schrieb statt dessen die bekannte Ouvertüre in E-dur. Hätte er den Entwurf ausgeführt, so hätten wir vielleicht fünf Leonore-Ouverturen; wir würden dann die (wirkliche dritte Ouvertüre vom Jahre 1807 ungefähr oben so als den Vorläufer der unterdrückten) vierten anschen, wie wir gegenwärtig die wirkliche) erste als den Vorläufer der zweiten Ouvertüre ansehen. Man kann nun noch fragen: hatte Beethoven i. ,J. 1814 bei der letzten Bearbeitung seiner Oper, an die Umarbeitung der Ouverture Op. 138 denken können, wenn diese Ouverture i. J. 1805 geschrieben und die erste der Leonore-Ouvertüren wäre? In der eingangs erwähnten geschriebenen Partitur hat Beethoven nachträglich bei vielen Stellen Aenderungen vorgenommen und versucht. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Aenderungen in’s Jahr 1814 und in die Zeit fallen, in welcher Beethoven seine Oper zur gänzlichen Umgestaltung vornahm. Als er von der Ausführung der vorhin erwähnten und zum Theil mitgetheilten Entwürfe zu einer Ouverture in E-dur abgestanden war, mag er auch dem Werke die eingangs angeführte Ueberschrift: »Charakteristische« Ouverture gegeben haben. Besagte Aenderungen sind zum Theil nur angedeutet und nicht ausgeführt, zum Theil sehr eingreifend. Dabei ist überall die ursprüngliche Lesart stehen geblieben. Das Manuscript kann seiner Beschaffenheit nach keineswegs als eine Druckvorlage, und das Werk selbst nach dieser Vorlage keineswegs als druckfertig betrachtet werden 8*). Einige Aenderungen lassen sich verschieden auslegen und konnten bei der Herausgabe des Werkes wohl Schwierigkeiten bereiten und Zweifel erregen. In den bei Haslinger in Wien und bei Breitkopf und Härtel in Leipzig erschienenen Ausgaben sind die ausgeführten und brauchbaren Aenderungen berücksichtigt worden. Zur Vergleichung mit diesen Ausgaben folge hier (auf zwei Notenzeilen zusammengedrängt) eine Stelle aus der Einleitung (Takt 23 ff. von Anfang) in ihrer ursprünglichen Fassung,

welche Beethoven später auf verschiedene Weise geändert und um einen Takt gekürzt hat.

1*) Das jetzt lose Blatt war frührer mit anderen Blättern zusammengeheftet. Das zeigen die von der Heftung an der linken Seite zurückgebliebenen Löcher. Eben diese Löcher geben den Beweis, dass die Seite, welche wir als die erste bezeichen, auch die erste oder Vorder und nicht Rückseite des Blattes ist.
2*) Sie wird im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien aufbewahrt
3*) Schindler’s Biogr. I, 142,
4*) Ich beziehe das Wort »geschrieben« auf die autographe Partitur, verbinde aIso damit den Begriff der Vollendung. Dass die Symphonie in C-moll schon im Jahr 1805 begonnen wurde, ist früher (Seite 16) bemerkt worden.
5*) Die Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung vom 2. September 1807 enthält einen Bericht aus Prag, worin es u. a. heisst: »Mit dem Monat April endete hier die italienische Oper und eine Gesellschaft deutscher Sänger trat an ihre Stelle. Die erstere war in den letzten Jahren so sehr gesunken, dass es« u. s. w. Liebich war Director der Gesellschaft, Wenzel Müller Kapellmeister. Die erste Oper, welche »in den ersten Tagen des Mays« gegeben wurde, war Cherubini’s »Faniska«.  Später folgten: »Fanchon” »Das unterbrochene Opferfest” »Der Wasserträger, »Die beiden Füchse« u. a. m. Beethoven’s »Fidelio« scheint aber nicht zur Aufführung gekommen zu sein, wird wenigstens bis Ende 1810 nicht erwähnt.
6*) In dem bei Breitkopf und Härtel in Leipzig herausgekommenen thematischen Verzeichniss der im Druck erschienenen Werke Beethoven’s musste selbstverständlich, auch wenn damals das hier mitgetheilte chronologische Ergebniss eben so sichergestellt gewesen wäre wie jetzt, die übliche Numerirung der Ouverturen beibehalten werden.
7*) S. Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung vom Jahre 1840, Seite 54 und 975; Neue Zeitschrift für Musik vom November 1840, Seite 160.
8*) Schindler behauptet (Biogr., 3. Ausg., II, 42), Beethoven habe im Jahre 1823 von der Handlung Steiner u. Comp, (später Tob. Haslinger) die unverzügliche Herausgabe der seit Jahren im Besitze dieser Handlung befindlichen Ouverture Op. 138 gefordert. Diese Behauptung ist unrichtig. Wie konnte Beethoven die Herausgabe eines nicht druckfertigen Werkes fordern? Unrichtig ist auch die Angabe Schindler’s (Biogr., I, 127), die Verlagshandlung Steiner u. Comp, habe »alsbald« (nach 1805?) das Eigenthumsrecht der Ouverture erworben. Die Firma »Steiner u. Comp.« entstand erst im Jahre 1815. In dem im Jahre 1815 mit Steiner abgeschlossenen Vertrage, in welchem Beethoven das Eigenthumsrecht von 13 grösseren und kleineren Werken abtritt, ist die Ouverture Op. 138 nicht angeführt. Beiläufig kann man bemerken, dass in diesem Artikel fast allem entgegen getreten wird, was Schindler in Betreff der Ouverture Op. 138 mittheilt.

I testi e i documenti di questa pagina sono curati da Luigi Bellofatto. Chi volesse consultare o richiedere dette risorse, può contattare l’ autore tramite il nostro modulo di contatto.

Gli esempi musicali di questa pagina sono curati da Graziano Denini. Chi volesse consultare o richiedere questi file, può contattare l’ autore tramite il nostro modulo di contatto.

I testi e i documenti di questa pagina sono stati curati dai Nostri revisori. Chi volesse porre domande o chiedere precisazioni sull’ argomento, può contattare gli autori tramite il nostro modulo di contatto.