Gustav Nottebohm – Beethoveniana – XVI – Eine gefälschte Stelle in den Variationen Op. 120. (Seite 47)
Aufsätze und Mittheilungen von Gustav Nottebohm
Leipzig, Verlag von C. F. Peters 1872
Die Variationen über Diabelli’s Walzer erschienen im Juni 1823 bei »Cappi und Diabelli« in Wien. Ungefähr ein Jahr später änderte die Verlagshandlung ihre Firma, und es erhielten die Exemplare, die dann gedruckt wurden, die Firma »A. Diabelli u. Comp.«. In sehr vielen Exemplaren nun, welche mit dieser neuen Firma versehen sind, zählt der erste Theil der 4. Variation 16 Takte, während derselbe Theil in den älteren, mit der Firma »Cappi und Diabelli« versehenen Exemplaren nur 15 Takte zählt. Der hier fehlende und dort stehende sechste Takt lautet:
Dieser Takt, welcher also später eingeschoben wurde, fehlt auch im Original-Manuscript. Es fragt sieh nun: Wer hat den Takt eingeschoben ? Kann nicht Beethoven, der, wie wir aus dem Briefwechsel mit Diabelli wissen*), die Original-Ausgabe selbst corrigirt hat, nachträglich eine Aenderung vorgenommen haben? Ein geringscheinender Umstand hat über letzteren Punkt Gewissheit verschafft. Es hat sich ein mit der Firma »A. Diabelli u. Comp.« versehenes Exemplar vorgefunden, in welchem jener Takt nicht steht, und nach Untersuchung des dazu benutzten Papieres hat sich herausgestellt, dass dasselbe nicht vor dem Jahre 1830 aus der Papierfabrik gekommen sein kann. Die Aenderung wurde also erst nach dem Jahre 1830 vorgenommen. Das ist aber eine zu lange Zeit nach Beethoven’s Tode, als dass man annehmen könnte, die Aenderung sei vom Componisten ausgegangen. Man wird ihren Urheber vielmehr anderwärts und näher zu suchen haben. Wenn man nun weiss, wie Anton Diabelli, der Mitbesitzer der genannten Verlagshandlung und selbst Componist, Werke von Franz Schubert geändert und in welch unverantwortlicher Weise er sie mit Kürzungen und Zuthaten zum Stich gegeben hat: so kann man gar nicht zweifeln, dass er auch fähig war, in einer Composition Beethoven’s eine vermeintliche Verbesserung vorznnehmen, zumal wenn der Composition, wie es hier der Fall ist, ein Thema, von ihm zu Grunde liegt. Offenbar hat Beethoven wissentlich dem ersten Theil der Variation eine ungerade Anzahl von Takten gegeben. Wir erklären uns diese Ungleichheit durch Zusammenziehung zweier Takte in einen. Dass man aber solche Zusammenziehung sich nicht da, wo in der Diabelli’schen Ausgabe die Aenderung vorgenommen ist, sondern zwei Takte früher zu denken hat, mag folgender Auszug aus einem Skizzenbuch beweisen, wo der erste Theil in einer regelmässigen Bildung von 16 Takten vorkommt.
In der Breitkopf und Härtel’schen Gesammt-Ausgabe hat die Stelle ihre ursprüngliche und echte Lesart wiedererhalten.
*) ln einem Briefe an A. Diabelli aus dem Jahre 1823 heisst es u. a.: “Die noch die Variationen betreffende Correctur ersuche mitzuschicken”. ln einem anderen Briefe, ebenfalls aus dem Jahre 1823, schreibt Beethoven: “Der Rest der Correctur der Variationen wird wohl vollendet sein, nur bitte ich Sie mir selben zu meiner Ueberzeugung gefälligst mitzusenden” u. s. w.
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