Gustav Nottebohm – Beethoveniana – X – Die Sonate Op. 96. (Seite 26)

Aufsätze und Mittheilungen von Gustav Nottebohm
Leipzig, Verlag von C. F. Peters 1872

Die Compositionszeit der Sonate für Pianoforte und Violine in G-dur Op. 96 wird verschieden und zum Theil nicht richtig angegeben. Sie wird aber durch folgende Erscheinungen sichergestellt. Auf den letzten Blättern eines Skizzenbuches*), welches grösstentheils mit Arbeiten und Entwürfen zur siebenten und achten Symphonie angefüllt ist, kommen Entwürfe zum zweiten, dritten und vierten Satz der genannten Sonate vor. Ein Entwurf beginnt so:
Ein darauf folgender Entwurf lautet:
Aus der Stellung dieser Entwürfe geht hervor, dass sie später geschrieben wurden, als die zu den zwei Symphonien. Das Original-Manuscript der siebenten Symphonie hat das Datum: »1812. 13ten Mai«; das der achten Symphonie ist datirt: »Linz im Monath October 1812«. Folglich kann die Sonate Op. 90 (mit Ausnahme des ersten Satzes, von dem wir nicht beweisen können, ob er früher oder gleichzeitig oder etwas später geschrieben wurde) nicht vor October 1812 geschrieben oder fertig geworden sein**).

Nun steht in der Linzer »Musikalischen Zeitung« vom 28. Januar 1813 ein Bericht aus Wien, geschrieben am 4. Januar 1813, welcher lautet: «Der grosse Violinspieler Herr Rode***) hat dieser Tage ein neues Duett für Pianoforte und Violin mit Sr. k. Hoheit dem Erzherzog Rudolph bei Sr. Durchl. dem Fürsten Lobkowitz gespielt. Die Composition dieses neuen Duetts ist von Hrn. Ludwig van Beethoven: es lässt sich von diesem Werke weiter nichts sagen, als dass es alle seine übrigen Werke in dieser Art zurück lässt, denn es übertrifft sie fast alle an Popularität, Witz und Laune«.

Dass das in diesem Bericht erwähnte Duett nichts Anderes sein kann, als die Sonate in G-dur Op. 96, wird durch Heranziehung einiger Stellen aus dem Briefwechsel Beethoven’s mit Erzherzog Rudolph ausser Zweifel gestellt. Beethoven schreibt einmal (Köchel’s 83 Briefe Nr. 4): »Morgen in der frühesten Frühe wird der Copist an dem letzten Stücke anfangen können, da ich selbst unterdessen noch an mehreren anderen Werken schreibe, so habe ich um der blossen Pünktlichkeit willen mich nicht so sehr mit dem letzten Stücke beeilt, um so mehr, da ich dieses mit mehr Ueberlegung in Hinsicht des Spiels von Rode schreiben musste; wir haben in unseren Finales gern rauschendere Passagen, doch sagt dieses R. nicht zu und — schenirte mich doch etwas. — Uebrigens wird Dienstags alles gut gehen können«. — In einem anderen Briefe (83 Briefe Nr. 5) schreibt Beethoven: »Roden anbelangend haben I. Kais. H. die Gnade, mir die Stimme durch Ueberbringer dieses übermachen zu lassen, wo ich sie ihm sodann mit einem billet doux von mir schicken werde. Er wird das die Stimme schicken gewiss nicht übel aufnehmen« u. s. w. — Ferner schreibt der Erzherzog an Beethoven****) u. a.: »Uebermorgen Donnerstags ist um 1/2 6 Uhr abends wieder Musik bei dem Fürsten Lobkowitz, und ich soll daselbst die Sonate mit dem Rhode wiederholen« u. s. w.
Aus allen diesen Mittheilungen geht hervor erstens: dass die Sonate Op. 96 gegen Ende des Jahres 1812 componirt und wahrscheinlich zum ersten Mal am Dienstag den 29. December 1812 in einer Gesellschaft bei Fürst Lobkowitz gespielt wurde; zweitens: dass sie mit Rücksicht auf Rode’s Spiel geschrieben wurde*****). So hat denn Carl Czerny Recht, wenn er S. 87 des vierten Theils seiner Pianoforte-Schule sagt: »Diese Sonate (Op. 96) wurde um 1812 für den berühmten Violinkünstler Rode geschrieben«.
Auffallend ist die Aehnlichkeit des Anfangs des letzten Satzes der Sonate mit dem Lied des Jobsen in J. A. Hiller’s Operette »Der lustige Schuster«, welches so aufängt:
Ob Beethoven das Lied gekannt hat?

*)  Im Besitz der Erben G. Petter’s in Wien.
**) Nach den Entwürfen zur Sonnte erscheinen auf der letzten Seite des Skizzenhuches Entwürfe zu dem Liede »An die Geliebte« mit dem Text: »0 dass ich dir vom stillen Auge« u. s. w. (vgl. Thematisches Verzeichniss der im Druck erschienenen Werke Beethoven’s, 2. Auflage, S. 183) und zwar zu derjenigen Bearbeitung dieses Liedes, bei welcher die begleitende Pianofortestimme Triolenbewegung hat. Aus den Daten, die oben weiter mitgetheilt werden, geht hervor, dass diese Bearbeitung frühestens im December 1812 entstanden sein kann, und dass sie also nicht, wie irgendwo angegeben, von den zwei Bearbeitungen des Liedes die frühere oder erste, sondern die zweite oder spätere ist.
***) Rode war im December 1812 nach Wien gekommen. Sein erstes Concert gab er am 6. Januar 1813.  Vergl. die Linzer musikalische Zeitung vom 21. Januar 1813, die Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung vom 20. Januar und 17. Februar 1813.
****) Das Original des Briefes ist im Besitz von Friedrich Amerling in Wien.
*****) In der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom Jahre 1801 (III, 558) wird gesagt, dass Rode’s Spiel sich durch Grazie und Delicatesse auszeichne, dass es immer angenehm, immer rein bleibe, aber zuweilen etwas kalt werde u. s. w. Näheres über Rode’s Spiel findet man auch in L. Spohr’s Selbstbiographie I, 68, 177 u. s. w. – Was irgendwo mitgetheilt wird, Beethoven habe für Rode eine Romanze (Une delicieuse romance) geschrieben, kann nur auf einer Verwechslung beruhen.

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